Vollendet (German Edition)
Roland. »Wenn das mal nicht peinlich ist.«
Connor macht keine Anstalten einzugreifen. Er steht einfach nur da. In seinen Augen steht die blanke Wut, aber seine Hände sind nicht einmal zu Fäusten geballt, sondern hängen nur schlaff herunter. Was ist bloß in ihn gefahren?
Roland zwinkert Risa zu und ruft dann über die Schulter: »Hau besser ab, wenn du weißt, was gut für dich ist.«
Connor betritt den Raum, geht aber zum Waschbecken. »Ich will mir nur schnell die Hände waschen.«
Risa wartet auf eine plötzliche Bewegung Connors, einen Schlag, der Roland unvorbereitet trifft, doch es geschieht nichts dergleichen. Connor wäscht sich lediglich die Hände.
»Deine Freundin flirtet schon seit Sonias Keller mit mir«, sagt Roland. »Das weißt du, oder?«
Connor trocknet sich die Hände an der Hose ab. »Ihr beiden könnt machen, was ihr wollt. Risa und ich haben uns heute Morgen getrennt. Soll ich das Licht ausmachen?«
Der Verrat kommt so unerwartet, ist so vollkommen, dass Risa nicht weiß, wen sie mehr hasst, Roland oder Connor. Doch da löst Roland seinen Griff. »Tja, die Stimmung ist im Eimer, nicht wahr?« Er lässt sie los. »War sowieso nur Spaß. Ich hätte dir doch nie was getan.« Er zieht sich zurück, sein typisches Roland-Lächeln im Gesicht. »Wir warten besser, bis du so weit bist.« Dann stolziert er so selbstbewusst hinaus, wie er hereingekommen ist, nicht ohne auf dem Weg nach draußen Connor anzurempeln.
Risas Verwirrung und Wut entladen sich auf Connor. Sie stößt ihn gegen die Wand und schüttelt ihn. »Was war das denn? Wolltest du ihn einfach machen lassen? Wolltest du da nur blöd rumstehen?«
Connor stößt sie zurück. »Du hast doch gesagt, ich soll den Köder nicht schlucken!«
»Was?«
»Er ist dir nicht nur zur Toilette gefolgt, sondern hat mich vorher noch angerempelt. Er wollte mir zeigen, was er vorhat. Es ging bei der ganzen Sache nicht um dich, sondern um mich – genau, wie du gesagt hast. Er wollte, dass ich ihn erwische und in einen Kampf verwickle. Aber ich habe den Köder nicht geschluckt.«
Risa schüttelt den Kopf, nicht etwa ungläubig, sondern weil ihr klar wird, dass Connor recht hat. »Aber … aber was wäre gewesen, wenn … wenn er …«
»Hat er aber nicht, oder? Und er wird es auch nicht tun. Weil er glaubt, dass du und ich uns getrennt haben. Und in dem Fall bist du nützlicher für ihn, wenn du auf seiner Seite stehst. Vielleicht ist er immer noch scharf auf dich, aber ich wette, er überschüttet dich ab jetzt mit Gefälligkeiten.«
Alle Gefühle, die in Risa toben, bahnen sich einen Weg nach draußen, und Tränen strömen ihr über die Wangen. Als Connor sie trösten will, stößt sie ihn mit der Wucht weg, die sie gern gegen Roland eingesetzt hätte.
»Raus hier!«, brüllt sie. »Mach, dass du rauskommst!«
Connor hebt frustriert die Hände. »Okay, prima. Vielleicht hätte ich gar nicht erst herkommen sollen.«
Er geht, und sie schließt die Tür hinter ihm, trotz der Schlange, die sich mittlerweile vor der Toilette gebildet hat. Sie setzt sich auf den Boden, mit dem Rücken zur Tür, damit keiner hereinkommen kann, und versucht, ihre Gefühle in den Griff zu bekommen.
Connor hat genau das Richtige getan. Dieses eine Mal hat er die Situation klarer durchschaut als sie – und wahrscheinlich dafür gesorgt, dass Roland sie nicht mehr bedrohen wird, zumindest eine Zeit lang. Trotzdem kann sie ihm nicht verzeihen, dass er einfach nur tatenlos dagestanden hat. Von Helden erwartet man heldenhaftes Handeln. Sie sollen kämpfen, auch wenn sie dabei ihr Leben aufs Spiel setzen.
In diesem Moment wird Risa klar, dass Connor trotz all seiner Fehler in ihren Augen ein Held ist.
25. Connor
Sich vor Roland zu beherrschen war vielleicht das Schwerste, was Connor in seinem ganzen Leben je hat tun müssen. Noch als er aus der Toilette stürmt, will er sich am liebsten auf Roland stürzen – aber blinde Wut ist im Augenblick wirklich nicht besonders hilfreich. Risa hat recht: Ein brutaler Kampf bis aufs Blut ist genau das, was Roland will. Connor hat von anderen gehört, dass sich Roland aus einem Stück Metall, das er in der Lagerhalle gefunden hat, ein Messer gemacht hat. Wenn Connor in seiner Wut mit Fäusten auf ihn losgeht, wird Roland die Sache mit einem tödlichen Stoß beenden. Und er wird auch noch damit durchkommen, weil er behaupten wird, es sei Notwehr gewesen.
Es geht überhaupt nicht darum, ob Connor Roland im Kampf besiegen
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