Vollendung - Thriller
Der FB I -Agent hatte ihn genauso gemacht, wie sie ihn mochte – grande, mit fettarmer Milch und zwei Süßstofftabletten –, und er hatte seinen schwarzen Chevy Trailblazer ohne mit der Wimper zu zucken genau vor dem Starbucks in zweiter Reihe geparkt. Der Job hat seine Vorzüge, dachte Cathy, schämte sich aber sogleich, dass sie in einem solchen Augenblick auf solche Gedanken kam.
»Haben Sie etwas dagegen, wenn wir Ihnen ein paar Fragen stellen, Dr. Hildebrant?« Das war die FB I -Agentin auf dem Rücksitz, eine Frau namens Sullivan – blond, Anfang dreißig, mit einem Gesicht wie gemeißelt, um das Cathy sie beneidete. Sie gehörte zur Außenstelle Boston, wie Markham erklärte, und hatte im Wagen gewartet, während er zu Cathy hineingegangen war.
»Nur zu«, sagte Cathy.
Agent Sullivan holte ein kleines Aufnahmegerät aus der Jackentasche und hielt es vor ihren Mund.
»Special Agent Rachel Sullivan, unterwegs mit Markham und Dr. Catherine Hildebrant. Es ist Sonntag, 26. April, 12.20 Uhr.«
Sullivan stellte das Aufnahmegerät zwischen Markham und Cathy – das rote Licht machte Cathy befangen.
»Dr. Hildebrant«, begann Sullivan, »Sie haben ein Buch über Michelangelo mit dem Titel Die im Stein schlafen verfasst. Ist das richtig?«
»Ja.«
»Ist das Ihr einziges veröffentlichtes Werk?«
»Nein, aber das einzige, das sich ausschließlich Michelangelos Skulpturen widmet – und das einzige, das über den akademischen Markt hinaus eine breitere Öffentlichkeit erreichte.«
»Es wurde also oft verkauft?«
»Es schaffte es natürlich nicht auf die Bestellerlisten, aber für ein wissenschaftliches Werk könnte man sagen, es hat sich gut verkauft, ja.«
»Und was haben Sie noch veröffentlicht?«
»Ich bin zusammen mit einem früheren Kollegen in Harvard Mitverfasserin eines Lehrbuchs zur Einführung in die Kunstgeschichte, und ich habe die obligatorischen Gelegenheitsartikel in verschiedenen wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht.«
»Verstehe«, sagte Sullivan.
Cathy gefiel ihr Tonfall nicht. Sie hatte nichts von Markhams Charme, von seiner ungezwungenen Offenheit. Special Agent Rachel Sullivan sprach dagegen wie ein Anwalt in einer dieser schlechten, billig produzierten Gerichtsserien, in die sich Cathy neuerdings versenkte – ein weiteres Stück »geistloser Unterhaltung«, von dem sie früher gedacht hatte, sie würde in einer Million Jahren nicht ihre Zeit damit vertrödeln.
»Aber Die im Stein schlafen ist mit Abstand Ihr wichtigstes Werk«, fuhr Sullivan fort. »Das, mit dem Sie groß herauskamen.«
»Relativ gesprochen, ja.«
»Und es ist Pflichtlektüre in Ihren Seminaren?«
»Nur in einem – einem Abschlussseminar.«
Cathy fühlte sich plötzlich in der Defensive – als wollte Sullivan sie irgendwie aufs Glatteis führen. Sie sah sich nervös im Auto um, und ihr Blick fiel auf die Geschwindigkeitsanzeige. Markham fuhr hundertdreißig, hielt das Lenkrad aber, als schleiche er durch die Dreißigerzone vor einer Schule.
»Und wann wurde dieses Buch veröffentlicht?«
»Vor etwa sechs Jahren.«
»War das vor oder nach Ihrer Professorenstelle?«
»Kurz davor.«
»Und seit wann ist das Buch Grundlage in Ihren Seminaren?«
»Das werden im Herbst fünf Jahre.«
»Ich möchte, dass Sie sich einen Moment Zeit nehmen«, sagte Sullivan mit verändertem Tonfall. »Lassen Sie sich einen Moment Zeit, und überlegen Sie, ob Sie seither – oder überhaupt irgendwann – einen Studenten hatten, der Ihnen besonders auffiel. Einer, der Dinge tat, sagte oder vielleicht sogar schrieb, die aus dem Rahmen fielen. Etwas, das die Grenzen des Kreativen überschritt und … nun ja, eben anders war. Vielleicht eine Zeichnung oder ein Aufsatz, oder auch nur eine E-Mail, die Sie beunruhigend fanden.«
In Cathys Kopf begann sich ein Kaleidoskop von Gesichtern zu drehen – namenlos, dunkel und verschwommen, und Panik ergriff sie, als ihr bewusst wurde, dass sie sich nicht einmal die Gesichter ihrer aktuellen Studenten ins Gedächtnis rufen konnte.
»Mir fällt niemand ein«, sagte sie schließlich mit belegter Stimme. »Tut mir leid.«
»Wie sieht es mit einem Kollegen aus? Jemand aus der Fakultät? Hat sich irgendwann jemand von einem Studenten bedroht gefühlt?«
»Nicht dass ich mich erinnere.«
»Haben Sie selbst sich in Ihrer Zeit in Harvard oder an der Brown University je von einem Studenten bedroht gefühlt? Jemand, mit dem Sie nicht auskamen? Vielleicht jemand, der
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