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Vollendung - Thriller

Vollendung - Thriller

Titel: Vollendung - Thriller
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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füllte sich der Dachboden mit den lieblichen Klängen Scarlattis.
    Er fuhr seine beiden Computer hoch und drückte auf die Fernbedienung für den Fernseher – Fox News, ohne Ton, genau, wie er ihn zurückgelassen hatte. Noch kam nichts über seine erste Ausstellung – die, so viel wusste er, ein spektakuläres Debüt auf der öffentlichen Bühne sein würde – aber das war in Ordnung. Nichts, was ihm die Laune verdarb. Nein, der Bildhauer war sich sicher, dass die Nachricht von seiner Schöpfung bald alle Medienberichte dominieren würde. Er lächelte beim Gedanken daran und wünschte sich, dass die Einzelheiten nur nach und nach ans Licht kommen würden, wie es in solchen Fällen oft geschah. Das würde die Neugier der Öffentlichkeit anstacheln, es würde ihr Appetit auf mehr machen.
    Vor allem jedoch freute sich der Bildhauer darauf, dass Dr. Hildy sein Werk sehen würde, denn Dr. Hildy war eigentlich die einzige Person, die seinen Bacchus wirklich verstehen würde. Und wenn erst einmal die Nachricht von der Inschrift die Runde machte, wenn die Öffentlichkeit von der Verbindung zu Dr. Hildy erfuhr, nun, dann würde man sicherlich mehr über sie wissen wollen. Vielleicht würden all diese superschlauen Journalisten sie sogar interviewen wollen – das wäre doch was, oder? Zumindest aber würde die Öffentlichkeit ihr Buch über Michelangelo lesen wollen. Dann würden sie alle zu verstehen beginnen, dann würden sie alle endlich anfangen aufzuwachen.
    Nachdem beide Computer online waren – bei Drudge Report und CNN  – holte der Bildhauer das einzige Buch aus der Schreibtischschublade, das er im Kutschhaus zuließ: seine Ausgabe von Die im Stein schlafen. Er blätterte sie durch. Der Einband war zerschlissen, die Seiten voller Eselsohren, mit Unterstreichungen und Randnotizen. Er kam zur hinteren Umschlagklappe, auf der das Bild von Dr. Catherine Hildebrant zu sehen war. Sie hatte das Haar kürzer getragen vor sechs Jahren. Sah ein bisschen schwerer aus, dachte der Bildhauer. Vielleicht lag es daran, dass es ein Schwarz-Weiß-Foto war; vielleicht lag es an ihrer Brille – ja, das schwarze Gestell, das sie jetzt trug, stand ihr viel besser als die alten, weiß gefassten Gläser. Objektiv betrachtet, fand der Bildhauer, dass Catherine Hildebrant attraktives Material war, aber langfristig bedeuteten ihm solche oberflächlichen Dinge bei Frauen nichts. Nein, der Bildhauer wusste, dass wie bei dem Material, das er für seine Skulpturen benutzte, Dr. Catherine Hildebrants wahre Schönheit im Innern lag: Sie schlief im Stein.
    Der Bildhauer lächelte, legte das Buch in die Schreibtischschublade zurück und fuhr, auch wenn er sich ein wenig albern vorkam, auf dem Bestattertisch nach unten. Die Zahnräder klangen ein bisschen geräuschvoller als sonst. Brauchen wohl ein bisschen Öl, sagte sich der Bildhauer, als er den Tisch wieder nach oben schickte. Das würde er als Nächstes in Angriff nehmen, wenn er damit fertig war, sein Atelier sauberzumachen.
    Das Erdgeschoss sah entschieden anders aus als der Dachboden darüber. Auch hier waren die Fenster zugemauert, aber die Wände bestanden aus dem ursprünglichen nackten Ziegel. An einer Wand hingen Werkzeuge, an einer anderen steckten die Entwürfe für den Bacchus noch auf einer Korktafel. Ein großer, weißer Lieferwagen, der durch eine der beiden Schiebetüren ins Freie gefahren werden konnte, nahm fast die Hälfte des Raums ein, während die andere Hälfte ausschließlich für das Atelier des Bildhauers reserviert war. Es gab eine enge Dusche mit abgeschrägtem Ausfluss, dazu eine kleine Abflussrinne im Boden, die im 19. Jahrhundert dazu gedient hatte, das Blut von den Hirschkadavern aufzufangen, wie ihm sein Vater erklärt hatte. Auf dieser Seite befand sich auch die gesamte Ausrüstung, die der Bildhauer für seine Arbeit brauchte, darunter ein Zeichentisch und ein Stuhl, ein elektrisches Schweißgerät samt Stromzufuhr, ein kleiner Amboss, ein Fass mit »Spezialfarbe« und eine Sprühpumpe, U V -Lampen, Rollen von Plastikfolie und, an der Rückwand des Kutschhauses, eine große Edelstahlwanne aus einem Krankenhaus. Die Wanne war das anspruchsvollste Stück in der Ausrüstung des Bildhauers, denn er hatte sie nicht nur mit einer luftdichten Abdeckung ausgestattet, sondern außerdem mit einer Kühlung und einer Vakuumpumpe. In einem kleinen Anbau hinter dem Kutschhaus waren die Fässer mit den Chemikalien untergebracht, die der Bildhauer aus dem
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