Vollendung - Thriller
als einen Menschen zu betrachten.
»Sagen Sie es mir, Bill – warum sollte jemand meinem Jungen etwas antun wollen?«
Burrell konnte nichts sagen, konnte nur den Blick wieder auf die Kaffeetasse senken, denn nun, da man Tommy Campbell gefunden hatte, nun, da der Moment, auf den sie drei Monate lang gewartet hatten, endlich da war, brachte es der Leiter der Special Agents unbegreiflicherweise nicht fertig, sich dazu zu äußern, geschweige denn seinem Freund weitere Fragen zu stellen. Thomas Campbell senior wandte sich deshalb wieder dem Fernsehgerät zu, mit einem Blick so leer wie der Bildschirm, auf dem Rachel Sullivan wenige Augenblicke zuvor dem Rest Amerikas bestätigt hatte, was er bereits wusste.
Special Agent Bill Burrell war zufrieden damit, wie sein Mädchen die Fragen der Presse pariert hatte, aber gleichzeitig war er zutiefst beunruhigt – und wütend natürlich, weil sie diese verdammte Show überhaupt abziehen mussten, und weil die Nachricht von der Ermordung Tommy Campbells durchgesickert war, bevor er grünes Licht gegeben hatte. O ja, er würde herausbekommen, wer die Klappe nicht hatte halten können, und sie ihm mit großem Vergnügen höchstpersönlich schließen.
Was den SAC jedoch wirklich beunruhigte, waren die aufgeregt vorgebrachten Fragen am Ende der Pressekonferenz – Fragen, die selbst die Reporterin zu beunruhigen schienen, die sie stellte. Burrell konnte natürlich nicht wissen, dass man O’Neill die Informationen soeben über ihre Ohrstöpsel zugespielt hatte. Er konnte unmöglich wissen, dass die Reporterin gleichzeitig verärgert war, weil ihre Fünfhundertdollarinvestition ihr diese Information leider nicht eingebracht hatte: dass nämlich Tommy Campbell und die nicht identifizierte zweite Person, mit der zusammen man ihn entdeckt hatte, in der Pose einer Statue arrangiert worden waren. Einer Statue von Michelangelo namens Bacchus.
Und obwohl eine Handvoll Polizisten aus Westerly die Einzelheiten über die Statue kannten, obwohl über ein Dutzend Staatspolizisten sofort hinzugerufen worden waren, um das Gebiet um Dodds Anwesen zu sichern, war es erst das FBI gewesen, das die Widmung an Dr. Hildebrant unter einer feinen Schicht Sand am Sockel der Statue entdeckt hatte. Aus diesem Grund hatte Special Agent Sam Markham noch vor Burrells Eintreffen den strikten Befehl ausgegeben, den Namen der Kunsthistorikerin gegenüber niemand anderem als den Bundesbeamten zu erwähnen. Und so war Burrell, als er sah, wie Sullivan sich weigerte, entsprechende Fragen der WNR I -Reporterin zu beantworten, eins schmerzhaft klar geworden: Selbst wenn einer der örtlichen Polizisten die Statue als Michelangelos Bacchus erkannt haben sollte, musste es immer noch einer seiner eigenen Leute gewesen sein, der in Bezug auf Hildebrant geplaudert hatte – es sei denn, der Mörder selbst hatte die Medien benachrichtigt.
Keine der beiden Möglichkeiten behagte ihm sonderlich.
Das einzig Gute an dem Schlamassel war nur, dass die Reporterin keine Fragen zu der Inschrift selbst stellte – sie schien nicht genau zu wissen, warum Dr. Catherine Hildebrant – außer als Expertin – an den Tatort geholt worden war. Das war gut, denn es bedeutete, dass das FBI seiner Arbeit vielleicht immer noch ohne jede Menge Medienaufmerksamkeit auf Hildebrant und ihr Buch nachgehen konnte. Die Medien würden sie vielleicht in Ruhe lassen, wenn sich der erste Wirbel gelegt hatte. Burrell mochte die hübsche Professorin – nicht weil sie ihn an seine Frau erinnerte, sondern weil er daran, wie sie die Leichen von Tommy Campbell und dem Jungen untersucht hatte, gemerkt hatte, dass sie stark war. Burrell gefiel das. Doch ja. Man konnte sagen, dass Bill Burrell sie sogar bewunderte.
Thomas Campbell schenkte Dr. Hildebrant allerdings keine Beachtung – er fragte nicht einmal, wer sie war, als Meghan O’Neill ihren Namen erwähnte. Tatsächlich schien Tommy Campbells Vater den Medienauftrieb vor der Polizeistation von Westerly einfach als den nächsten unvermeidlichen Schritt in der Trauer um seinen Sohn hinzunehmen. Er fragte Burrell nicht einmal, wie die Information über die Statue an die Öffentlichkeit gelangt war – eine Information, die er selbst seit dem frühen Morgen kannte. Nein, seine Gedanken galten einzig seinem Sohn und niemandem sonst.
»Sobald sie die Statue sehen«, sagte Campbell und starrte auf den leeren Fernsehbildschirm, »die echte, meine ich. Sobald sie anfangen, im Internet
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