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Vollendung - Thriller

Vollendung - Thriller

Titel: Vollendung - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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wenn sie ferngesehen und erfahren hätte, dass eine zweite Leiche zusammen mit der Campbells gefunden worden war, hätte sie die Verbindung zu ihrem Sohn nicht hergestellt – denn Polizei und FBI hatten schon vor langer Zeit jeden Zusammenhang zwischen dem Verschwinden von Tommy Campbell und dem von Michael Wenick ausgeschlossen. Tatsächlich gingen die Behörden genau vom Gegenteil aus, und auch wenn ihnen Laurie nur zu gern glaubte, hatte sie in den Monaten nach dem Verschwinden des Wide Receivers begonnen, sich über die anhaltende Aufmerksamkeit zu ärgern, die dem Fall zuteilwurde – und ihren eigenen vollkommen in den Schatten stellte. Tatsächlich fühlte sich Laurie angesichts des Campbell-Falls, als wäre ihr Sohn zum zweiten Mal entführt worden – und sei es diesmal auch nur in der Wahrnehmung ihrer Rhode Islander Mitbürger.
    Hätte Laurie Wenick nicht nach dem Konfitüreglas gegriffen, sondern sich stattdessen mit ihrem Kaffee vor dem Fernseher niedergelassen, wie sie es normalerweise vor der Arbeit tat, wäre sie über die Pressekonferenz, die gerade auf der Treppe des Polizeireviers von Westerly begann, vielleicht erleichtert gewesen – denn nun, nach der Entdeckung von Tommy Campbell, würden sich Behörden und Medien wieder auf die Suche nach ihrem Sohn konzentrieren. Heute jedoch, in der Folge ihrer Panikattacke, in der Folge ihrer Vorahnung , hätte sie trotz aller früheren Versicherungen, das Verschwinden ihres Sohnes hinge nicht mit dem von Tommy Campbell zusammen, sofort gewusst, dass es sich bei der nicht identifizierten zweiten Leiche, von der die Rede war, um die von Michael handelte – vorausgesetzt, sie hätte zur Fernbedienung gegriffen, ehe es an der Tür läutete.
    So aber stand sie wie erstarrt mit dem Glas in der Hand vor dem Kühlschrank, als es ein zweites Mal läutete – die Klänge aus dem angrenzenden Raum hallten wie Kirchenglocken in ihren Ohren. Und in ihrem Kopf brach sich die dumpfe Erkenntnis Bahn, dass es nicht ihr Vater sein konnte – er war mit seinem Bruder zur Krähenjagd in Connecticut, und es war viel zu früh für seine Rückkehr.
    Erneut wurde sie zum Zombie – ihre Bewegungen waren nicht die ihren, und sie schaute sich selbst zu, während sie zur Haustür ging. Sie sah zwei Männer durch das Guckloch – ernst blickende Männer mit kurz geschnittenem Haar und blauen Sakkos. Laurie kannte sie nicht – hatte sie nie zuvor gesehen – und erkannte sie dennoch auf Anhieb: Sie hatte viele wie sie gesehen in den letzten sieben Monaten. Eine Stimme irgendwo im Hinterkopf versicherte ihr, dass die Eingangstür für alle Fälle verschlossen war – denn ihr Vater hatte ihr beigebracht, sie immer verschlossen zu halten –, und Laurie sah sich selbst – jene Frau im Bademantel, die so müde und ausgezehrt aussieht – den Riegel zurückschieben.
    »Ja?«
    Der Mann auf der Eingangstreppe hielt seinen Ausweis in die Höhe. Seine Lippen bewegten sich, aber Laurie konnte ihn durch das Glas nicht hören; denn beim Anblick der drei kleinen Buchstaben – FBI  – blendete der Schrecken des jähen Begreifens alle Geräusche in ihrem Kopf aus.
    Nein, Michael Wenicks Mutter brauchte weder das FBI noch die Pressekonferenz in Westerly, um zu wissen, warum sie nach dem Glas Gelee gegriffen hatte. Sie hätte beides ohnehin nicht hören können, denn die einst hübsche junge Krankenschwester sah sich selbst ohnmächtig zusammenbrechen.
12
    B ill Burrell saß mit Thomas Campbell senior in dessen Wohnzimmer, und beider Kaffee war längst kalt geworden. Keiner von beiden hatte viel davon getrunken, denn ihre Tassen waren nur Requisiten in einer Szene, die sie in den letzten drei Monaten oft gespielt hatten. Die Kulisse war die gleiche – die bequemen Ledersessel, die Bücherregale, die in warmen Holztönen getäfelten Wände mit den vielen Familienfotos. Heute jedoch war die Stimmung, die Tönung der Szene anders, denn heute hatte der wohlhabende Geschäftsmann endlich erfahren, was aus seinem einzigen Sohn geworden war. Und als Special Agent Rachel Sullivan in dem Fernsehgerät in der Ecke ihre Pressekonferenz beendete, war wie aufs Stichwort ein dumpfes Poltern über Burrells Kopf zu hören.
    »Es ist alles in Ordnung mit ihr«, sagte Campbell und drückte die Fernbedienung. »Ihre Schwester ist oben bei ihr. Wahrscheinlich haben sie nur etwas fallen lassen.«
    In dem unbehaglichen Schweigen, das folgte, trank Burrell einen Schluck von seinem kalten Kaffee.

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