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Volles Rohr

Volles Rohr

Titel: Volles Rohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephenson Neal
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wie anderswo. Das
    Reispapier ist so fein, daß sich die meisten Restaurants da nicht rantrauen. Aber Hoas Frau, die hat's im Griff.
    Die kann das mit den Zehenspitzen.«
    »Und wie ist der Fisch?«
    Meine Empfehlung - Fisch mit Ingwer - blieb mir im Hals stecken. Es wurde gerade welcher vorbeigetragen.
    War ein Haufen weißes, nicht identifizierbares Zeug in einem Soßetümpel.
    Ich schämte mich für meinen Verdacht. Hoa, der Mann, der Frühlingsrollen aus Reispapier auf den Tisch brachte, obwohl er damit kaum seine Kosten decken konnte,
    würde seinen Gästen doch keinen Grundfisch aus dem
    Hafen vorsetzen. Dann dachte ich noch mal nach. Und
    der Schluß, zu dem ich kam, war: Ich bin ein Arschloch.
    »Hier ist alles gut«, sagte ich. »Alles.«
    Tom Akers war ein freiberuflicher Taucher, der in Seattle wohnte und für GEA Jobs machte, sooft er konnte. Wenn ich Taucher außer der Reihe brauchte, klingelte ihn das nationale Büro an und ließ ihn einfliegen. Das machen wir immer so. Wir nehmen möglichst keine Freiwilligen bei unseren Aktionen, weil diese Leute dazu tendieren, übereifrig zu sein. Wir wenden uns lieber an Profis.
    Normalerweise hätten wir ihn direkt nach New Jersey
    gebracht, aber er wollte sowieso Freunde in Boston
    besuchen. Er hatte ein paar Tage bei ihnen gewohnt, und heute würde er bei mir übernachten, damit wir morgen früh loskamen.
    »Nett, daß du dich wieder mal sehen läßt«, sagte Hoa. Er hatte sich von hinten an mich rangeschlichen, und ich hatte Schuldgefühle. Er bewegte sich völlig lautlos. Er war in den Vierzigern, groß für einen Vietnamesen und ziemlich dünn. Sein Bruder war kleiner und runder, aber er sprach schlecht Englisch, und ich konnte seinen
    Namen nicht aussprechen. Und ich behalte keine Namen, die ich nicht aussprechen kann.
    »Guten Abend, Hoa.«
    »Ihr fahrt beide Rad?« Er streckte die Hände aus, schloß sie nachsichtig lächelnd um einen imaginären Lenker und schielte nach To ms Helm. Doppelt ungläubig: nicht nur einer, sondern zwei ausgewachsene Amerikaner, die
    radfuhren.
    Wie sich herausstellte, wollte er Tom dazu auffordern, daß er sein Rad nach drinnen holte, wo es niemand
    mitgehen lassen konnte. Im Vorraum war kein Platz
    mehr, also brachte Tom es hinter die Küchentür.
    »Viel los da draußen auf dem Hof, Mann«, sagte Tom,
    als er zurückkam.
    »Vietnamesen?«
    »Ich glaube schon.«
    »Die kommen immer an die Hintertür und holen sich
    Reis. Den kriegen sie bei Hoa umsonst oder für soviel, wie sie eben zahlen können.«
    »Schwer in Ordnung, Mann!«
    Wir bekamen ein Fünf-Sterne-Essen für einen Dollar pro Stern. Ich trank ein Budweiser und Tom ein Singha aus Thailand. Das habe ich früher auch gemacht - in
    mexikanischen Kneipen mexikanisches Bier bestellt, in asiatischen asiatisches. Dann setzten Debbie, Bart und ich uns eines Nachmittags zusammen, und Debbie führte mit uns einen kontrollierten Geschmackstest durch, bei dem etwa zwölf Importbiermarken verkostet wurden. Es handelte sich um einen Doppelblindversuch - als Bart und ich durch waren, konnten wir beide nichts mehr
    sehen -, aber wir kamen zu dem Schluß, daß es keinen Unterschied zwischen den Marken gab. Schlechtes Bier war schlechtes Bier. Kein Grund, fürs Authentische noch einen Dollar draufzulegen.
    Hoas Bruder bediente uns. Das war ungewöhnlich, aber Hoa hatte alle Hände voll zu tun. Er mußte sich um die drei irischen Ladys kümmern. Außerdem mußte er in der Küche einen Angestellten anfegen; wild genäseltes
    Vietnamesisch drang durchs Rauschen der
    Spülmaschinen. Das Essen schmeckte Tom, aber er war
    bald satt.
    »Du wollen Beutel zum Mitnehmen?« fragte Hoas
    Bruder.
    »Äh - ja, warum nicht.«
    »Gut.« Hoas Bruder sah uns eine Weile an und kämpfte mit seiner Schüchternheit. »Ich hasse, wenn Leute
    kommen und wenig essen. Dann ich muß Essen
    wegwerfen. Dann ich werde böse. Viele Leute könnten
    brauchen. Die Schwarzen. Sie könnten brauchen. So ich werde böse manchmal, und ich rede mit sie. Manchmal
    ich rede von Äthiopien.«
    Er ließ uns völlig verblüfft zurück. »Mann«, sagte Tom,
    »der ist ja echt engagiert.«
    Den Hilfskellner, der nun aus dem hinteren Teil des
    Lokals auftauchte, hatte Hoas Zorn offenbar nicht
    getroffen. Ich nahm an, daß er den größten Teil seines Lebens in den Staaten verbracht hatte: Er blickte
    mürrisch drein und tänzelte zwischen den Tischen herum, als wollte er für den Werbefilm entdeckt werden. Unsere Blicke begegneten

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