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Volles Rohr

Volles Rohr

Titel: Volles Rohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephenson Neal
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holten die Fische nicht aus dem Wasser, um sie wieder reinzuschmeißen wie diese
    komischen Typen im Fernsehen. Sie kämpften ums
    blanke Überleben.
    Die alte Etikette ist nicht so leicht totzukriegen. Ich bin in einer Familie aufgewachsen, die gern geangelt hat, und ich konnte mich nicht dazu überwinden, ein
    Spielverderber zu sein. Ich drosselte den Motor und blieb auf Distanz, damit ich keinen von den kostbaren
    Kackefressern unter der Pier verjagte. Fuhr langsam um sie herum, schaute die Angler an, und sie schauten mich an. Der Name meiner Organisation stand groß mit
    orangem Klebeband auf dem Zodiac. Ich fragte mich, ob sie ihn lasen und eine Verbindung zu den Warntafeln
    über ihrem Kopf herstellten.
    Es waren Vietnamesen, Schwarze und ein paar Latinos.
    Wegen der Schwarzen machte ich mir keine so großen
    Sorgen. Nicht weil sie schwarz waren, sondern weil sie nur zur Entspannung zu angeln schienen. Sie hatten hier schon immer geangelt. In Boston sah man überall, wo es Wasser gab, alte Schwarze mit Filzhüten sitzen, ins
    Wasser starren und warten. Kein Mensch hat je erlebt, daß sie etwas gefangen haben. Aber die Vietnamesen
    gingen das Ganze mit einer Leidenschaft an, die aus
    permanentem Eiweißmangel geboren war.
    Jetzt rührte sich was an einer Ecke der Pier. Die Menge machte Platz für einen Vietnamesen und räumte ihre
    Angeln weg, damit er einen Fisch aus dem Wasser ziehen konnte. Eine zappelnde, ziemlich große Flunder tauchte auf und schien, da man die Schnur nicht sehen konnte, in der Luft zu schweben. Viel Fleisch würde sie nicht
    hergeben, aber dafür würde die Konzentration von PCBs und Schwermetallen in diesem Fleisch tausendmal höher sein als im Wasser des Hafens.
    Ich beobachtete deprimiert, wie die Flunder aufstieg.
    Dann grabschte der glückliche Angler nach seinem Fang, und unsere Blicke begegneten sich. Eine Sekunde
    vielleicht. Den hatte ich schon mal wo gesehen; er war Hilfskellner im Pearl.
    Na schön. Ich gab Gas und drehte um. Scheißflunder.
    Wenn es um diese Dinge ging, war GEA doppelt
    angeschmiert. Entweder läßt du die Leute in Ruhe, und das kannst du nicht machen, oder du versuchst zu
    verhindern, daß sie sich selbst vergiften, und dann sieht es so aus, als wolltest du dynamischen Einwanderern
    Knüppel zwischen die Beine werfen. Aber jetzt hatte ich wenigstens jemanden, den ich kannte. Ich wollte diesem kleinen Hilfskellner nicht zu nahe treten. Aber ich hatte gute Beziehungen zu Hoa, und vielleicht konnte ich über ihn Kontakt zu den Leuten bekommen. Vielleicht konnte GEA ein Schiff chartern und mit ihnen auf den Atlantik hinausfahren. Da konnten sie dann richtige Fische
    fangen. Tja. Und jetzt überleg dir mal, was allein die Haftpflichtversicherung dafür kosten würde.
    Plötzlich kam aus dem Nichts die Erleuchtung über mich: Was ich brauchte, war ein bitterkaltes Bier und wirklich lauter, trommelfellzerfetzender Rock. Vielleicht ein bißchen Lachgas dazu. Ich zündete mir eine Zigarre an, brachte den Mercury auf Touren und brauste unserer
    Flottenbasis entgegen.

5
    Bartholomew wartete in seinem Transporter vor dem
    Büro von GEA, als ich zurückkam. Er sah mich die U-
    Bahn-Treppe hochsteigen und lehnte sich sofort auf die Hupe. Um den ganzen Platz herum strömten
    Rüstungslieferanten an die bedampften Fenster, um
    festzustellen, ob ihren BMWS was passiert war, und
    zogen sich dann wieder zurück, weil sie das Geräusch nicht lokalisieren konnten. Ich lief mit Absicht langsam, tat so, als würde ich Bartholomew nicht sehen, und stieg die Treppe zum Büro rauf, um mein Rad zu holen. Ich
    hätte es wissen müssen. Wenn ich Erholung brauchte,
    würde es meinem Zimmergenossen genauso gehen.
    Deswegen lebten wir ja auch trotz etlicher
    Unvereinbarkeiten zusammen: irgendwo dachten wir in
    parallelen Bahnen.
    »He!« rief Tricia, als ich mein Fahrradschloß aufsperrte.
    »Was machst du da?«
    »Ich verpisse mich«, sagte ich.
    »Jim hat angerufen«, sagte sie, also tat ich einen halben Schritt über die Schwelle.
    »Was ist?«
    »Sie sind soweit.«
    »Haben sie einen Brückenkopf?«
    »Ja.« Und jetzt las Tricia von einem Zettel ab:
    »Staatspark Dutch Marshes, fünfzehn Kilometer nördlich von Blue Kills. Du mußt über den Garden State Parkway in südlicher Richtung bis zur Ausfahrt auf die Route 88
    fahren … das geht noch 'ne ganze Weile so weiter. Hier.«
    Sie hielt mir den Zettel entgegen.
    »Nein.«
    »Sangamon«, sagte sie mit ihrem neckischsten Quengeln, das

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