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Volles Rohr

Volles Rohr

Titel: Volles Rohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephenson Neal
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sich wieder, zum zweiten Mal an
    diesem Tag. Dann schaute er weg, und seine
    Mundwinkel kräuselten sich.
    Es gibt einen bestimmten Blick, mit dem mich Leute
    ansehen, wenn sie meinen, ich sei ein überängstlicher Schlaffi. Das war der Blick. Um zu diesem Typ
    durchzudringen, würde ich meine Männlichkeit unter
    Beweis stellen müssen. In einer lebensgefährlichen
    Situation ganz cool bleiben, zum Beispiel. Nur lassen sich solche Ereignisse schlecht inszenieren.
    Wir inszenierten zwar eins in Blue Kills, aber das würde nicht den Sprung in die Bostoner Zeitungen schaffen. Es gehörte zum Image von GEA, Risiken einzugehen, hart
    und mutig zu sein, damit uns die Leute keine solchen Blicke zuwerfen konnten wie Hoas Hilfskellner mir
    gerade.
    Er wußte nicht, daß er am laufenden Band beschissen
    wurde. Basco und ein paar andere Firmen hatten Vietnam jahrelang mit Toxinen berieselt. In den Staaten fraß er die gleichen Gifte von der gleichen Firma vom Grund des
    Hafens. Und Basco hatte hier wie dort Geld gescheffelt.
    »Was denkst du?« fragte Tom.
    »Ich hasse diese Scheißfrage«, sagte ich. Aber ich sagte es so nett wie möglich.
    »Du hast echt ernst ausgesehen.«
    »Ich hab' an dieses gottverdammte Entlaubungsmittel
    gedacht«, sagte ich. »Agent Orange.«
    »Wow«, sagte er leise. »Ich auch.«
    Tom folgte mir durch Allston und Brighton nach Hause.
    Ich mußte langsam fahren, weil ich auf meiner Guerilla-Route war, dem Weg, den ich immer nehme, wenn ich
    fürchte, daß alle Leute, die in einem Auto sitzen, ganz wild drauf sind, mich dranzukriegen.
    Nachts kann einen jeder umnieten und ungeschoren
    davonkommen. Deswegen habe ich kein Licht am Rad
    und auch keinen von diesen idiotischen reflektierenden Anzügen. Denn wenn du dich in eine Lage bringst, in der dich jemand sehen muß, damit du sicher bist, hast du's schon versiebt.
    Tom murmelte was von Paranoia, und dann war ich so
    weit voraus, daß ich ihn nicht mehr verstehen konnte.
    Wir hatten eine angenehme Fahrt durch die Dunkelheit.
    Mit unseren Rädern waren wir schwach und verletzlich, aber auch unsichtbar und schwer zu fassen: Wir kriegten alles mit, was sich zwei Straßen vor und hinter uns
    abspielte. Zwei Umweltaktivisten in einer toxischen
    Welt, die auf einen Plastikbeutel Lachgas und eine
    warme Koje zusteuerten.

6
    Wir fielen kurz vor Morgengrauen ins Territorium der Schweizer Schweine ein. Zu Wasser hatten wir drei
    Zodiacs, zwei Taucher, einen Mann im Raumanzug und
    unser Mutterschiff, die Blowfish. Zu Lande hatten wir ein paar Leute, die vom Omni und einigen Mietwagen aus
    operierten. Verstärkt wurden unsere Reihen durch
    Journalisten, hauptsächlich aus Blue Kills und
    Umgebung, aber es waren auch zwei Kamerateams aus
    New York dabei. Gegen 3 Uhr früh mußte Debbie zwei
    Privatdetektive der Schweizer Schweine abschütteln, die sich auf ihre Spur gesetzt hatten. Es war in keiner Weise subtil; sie versuchten nur, uns einzuschüchtern. Tanya, unsere zweite Frau aus Boston, saß am Steuer, und
    Debbie machte sich auf dem Rücksitz klein. Tanya bog in eine kurvenreiche Straße ein, die dem Lincoln Town Car der Verfolger nicht besonders lag. Sie fuhr an die fünf Minuten mit Bleifuß, legte einen knappen Kilometer zwischen sich und die Schnüffler und machte dann eine Wende um 180 Grad. Das hatte sie letzten Februar auf verschneiten Straßen in Maine gelernt, als wir nach
    Montreal unterwegs gewesen waren, um einigen
    französischen Toxinfilous das Geschäft zu vermasseln.
    Debbie sprang aus dem Omni und versteckte sich im
    Straßengraben. Tanya jagte los und kam bald an dem
    Lincoln vorbei, der noch in Gegenrichtung fuhr. Die
    Schnüffler waren gezwungen, ebenfalls eine Wende um
    180 Grad zu machen, die ein bißchen sehr danebenging.
    Dann legten sie einen tollen Kavalierstart hin und sausten Tanya nach.
    Debbie lief ein paar hundert Meter und entdeckte das Geländefahrrad, das wir in einem Busch für sie versteckt hatten. Es war mit einem halben Dutzend Kryptonite-Fahrradschlössern beladen, großen, U- förmigen, schwer zu knackenden Dingern. Debbie fuhr ein paar Kilometer, teils auf der Straße, teils querfeldein, bis sie zu einem Tor am Ende eines Privatwegs kam. Hinter dem Tor befand
    sich eine Giftmülldeponie, die den Schweizer Schweinen gehörte, ein sumpfiges Stück Land. Es fiel zu einem
    Mündungstrichter ab, der nach knapp vier Kilometern
    das Meer erreichte. Die Deponie war von zwei schlichten Drahtzäunen umgeben, und das Tor war ein

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