Volles Rohr
verursacht oder nicht. Es gibt bestimmte Elemente - Chlor zum Beispiel -, die ungeheuer genschädigend sind. Wenn man also die
Umwelt mit etwas stark Chlorhaltigem verschmutzt, muß man ein Trottel sein, um nicht zu realisieren, daß es Krebs verursacht.«
»Aber beweisen kannst du's nicht«, sagte Tom. Es hörte sich irgendwie grämlich an.
»Nein, man kann es nicht so beweisen wie einen
Tatbestand vor Gericht. Deshalb kommen die
Chemiefirmen ja auch mit soviel Dingen ungeschoren
davon. Wenn jemand einen Tumor kriegt, ist es
unmöglich, ihn auf ein bestimmtes Chloratom aus einem bestimmten Molekül zurückzuführen, das aus der oder
der Firma stammt. Sind alles nur statistische Beweise.«
Dick sagte: »Also ist in dem Zeug, das aus diesem
Abflußrohr kommt …«
»Teilweise Chlor. Aber da sind auch Schwermetalle drin
- Cadmium, Quecksilber und so weiter. Jedes Kind weiß, daß die giftig sind.«
»Warum erlaubt die EPA das dann?«
»Das Zeug in solchen Mengen einzuleiten? Erlaubt sie nicht.«
»Wie meinen Sie das?«
»Die EPA erlaubt es nicht. Es ist illegal.«
»Sekunde«, sagte Dick. Ich konnte sehe n, wie es in
seinem methodischen Polizistenhirn arbeitete, wie er eine Meldung für seinen Vorgesetzten schrieb. »Halten wir das fest. Was die da machen, ist illegal.«
»Genau.«
»Und wie kommt's, daß wir dann Sie verhaften?«
»Tja. Die Welt ist schnöde, Dick.«
»Also, wissen Sie…« - er beugte sich vor, obwohl kein Mensch in Hörweite war - »… hier sind viele Leute auf Ihrer Seite. Die finden es gut, was Sie machen. Jeder weiß, daß die Bosse von der Fabrik die Gegend hier
vergiften. Und die Leute haben langsam die Nase voll.«
Er beugte sich noch weiter vor. »Sheri zum Beispiel.
Meine siebzehnjährige Tochter. He! Da fällt's mir wieder ein. Haben Sie irgendwas an Bord?«
»Wie meinen Sie das?« Ich dachte, er spreche von
Drogen.
»Och, Autoaufkleber, Poster und so. Ich soll welche für Sheri besorgen.«
Wir gingen nach unten und suchten große Poster von
reizenden Säugetieren aus, mit denen Sheri ihr ganzes Zimmer tapezieren konnte.
Dann holte ich Dick einen Becher Kaffee, und wir gingen wieder an Deck und beobachteten, wie Blue Kills sich näherte und die Cops auf dem Küstenwachboot in
Technicolor den Mund aufrissen. »Wie lange bleiben Sie in Jersey?« fragte Dick.
»Ein paar Tage.«
»Also, Sheri findet euch klasse. Sie würde euch gern kennenlernen. Vielleicht können Sie ja mal zum Essen zu uns kommen.« Wir redeten eine Weile hin und her - Gott bewahre, am Ende ließ ich mich mit der minderjährigen Tochter eines Staatspolizisten ein -, und dann wurden ich und die Meinen von Dick und seinen Freunden
hoppgenommen und eingeknastet.
Wir durften jeder ein Telefongespräch führen. Ich
bestellte eine Pizza. Wir hatten bereits das nationale Büro von GEA in Washington verständigt, und sie hatten
Abigail losgeschickt, unsere Offensiv- Verteidigerin. Sie war schon unterwegs, vermutlich mit einem
Kampfhubschrauber.
Als unsere Starfotos im Kasten und unsere
Fingerabdrücke in der Kartei waren und wir uns mit
unseren Zellengenossen bekannt gemacht hatten, war es 8 Uhr abends, und ich wollte nur noch schlafen. Aber da erschien Abby und holte uns raus.
»War eine total blödsinnige, rechtswidrige Festnahme«, erklärte sie heftig rauchend und unter energischer
Befingerung ihres Alu-Aktenköfferchens. »Zuständig
war die Küstenwache, weil das alles vor der Küste
passiert ist. Ihr habt außerhalb von Blue Kills gearbeitet.
Aber die Cops, die euch verhaftet haben, waren
überwiegend aus Blue Kills. Also haben sie total Scheiße gebaut. Und die Anzeige wird aller Wahrscheinlichkeit nach sowieso zurückgezogen.«
»Anzeige wegen -«
»Sabotage einer Schadstoffe führenden Rohrleitung.«
Ich sah Abby nur an.
»Echt. Ich verarsch' dich nicht. Das ist echt ein Vergehen in New Jersey. Ich hab' das nicht eben erfunden«, sagte sie.
»Und warum glaubst du, daß die Anzeige zurückgezogen wird?«
»Weil die Firma andernfalls gezwungen wäre, vor
Gericht zu gehen und auszusagen, daß durch dieses
Abflußrohr Schadstoffe fließen. Sonst wäre es ja keine Schadstoffe führende Rohrleitung, nicht?«
Als ich wieder beim Omni war, klappte ich den Sitz
zurück, döste eine Weile und wartete darauf, daß Debbie aus dem Frauenknast entlassen wurde. Das Telefon
läutete. Ich nahm ab.
»GEA?« sagte eine alte Stimme.
»Ja?«
»Ich möchte mit S. T.
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