Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Volles Rohr

Volles Rohr

Titel: Volles Rohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephenson Neal
Vom Netzwerk:
ausgefranster gelber Flamme brannte.
    Wir verlängerten das Rohr auf drei Meter, und dann
    ließen wir alles so, wie es war, munter brennend. In meiner Phantasie umgab ich Spectacle Island mit einer gleißenden Korona gelber Flammen - Signalfe uer für Schiffe, Landmarke für Piloten, permanente
    Festbeleuchtung für die Yuppies in den neuen
    Eigentumswohnungen mit Meerblick. Es würde nicht
    allzuviel bewirken, es würde die Menschen nur erinnern: He, Leute. Da draußen ist ein Hafen. Und der ist dreckig.

13
    Zu Hause wusch ich noch mal die Wunde aus, applizierte Wodka (eine Marke, die ich ausschließlich als
    organisches Lösungsmittel verwende) und legte einen
    neuen Verband an. In der Nacht hatte ich Alpträume, in denen ich vor überlebensgroßen, überparfümierten PR-Leuten mit verchromten Revolvern floh. Ich stand
    dreimal auf, um zu reihern, und als mein Wecker
    losbrüllte, konnte ich nicht mal die Hand ausstrecken und ihm eine draufhauen, weil meine sämtlichen Gelenke
    steif waren. Ich sah nur noch verschwommen und hatte 40 Grad Fieber. Meine Muskeln waren eine
    undefinierbare Masse, von der sich bloß sagen ließ, daß sie höllisch brannte. Ich lag da und stöhnte: »Neunzig Kilo vergammeltes Fleisch«, bis Bart ins Zimmer kam
    und mir einen Plastikbeutel brachte. Als ich genug
    Lachgas inhaliert hatte, um ins Bad zu gehen und ein letztes Mal zu reihern, warf ich einen Blick in den
    Spiegel und stellte fest, daß meine Zunge mit einem
    dicken weißlichbraunen Belag überzogen war.
    Bart fuhr mich zu der großen Klinik in der City, wo ich Dr. J. aufsuchte, meinen alten Zimmergenossen am
    College. Er hatte seinen Doktor im Schnellverfahren
    gemacht, seine Assistenzzeit an einer unserer
    neuenglischen Elite-Unis absolviert, und jetzt arbeitete er in der Notaufnahme. Nichts Berühmtes, aber immerhin
    ein festes Gehalt mit Spielraum für Förderungsbeiträge an GEA.
    Ich erklärte ihm, wie ich zu der Wunde gekommen war, und er sah mich an, als hätte mir soeben jemand die
    Ladung beider Läufe einer großkalibrigen Schrotflinte in den Leib gejagt.
    »Da draußen im Hafen gibt es Dinge, mit denen nicht zu spaßen ist, Mann. Fäulnisbakterien und so weiter - die greifen auch deinen Körper an, S. T.«, sagte er und
    spritzte mir irgendeinen fabelhaften Antibiotika-Cocktail.
    Er gab mir das gleiche noch mal in Tablettenform mit, aber ich schluckte nur die Hälfte davon. Was für
    Antibiotika es auch immer sein mochten, sie pusteten die gesamte Scheiße einschließlich der natürlichen
    Darmflora aus meinem Organismus raus, und die Folge
    war ein Dauerdurchmarsch. Das Leben ist zu kurz, um es auf dem Lokus zu verbringen und sich zu fragen, ob es nicht doch ein bißchen mehr zu bieten hat, also setzte ich die Tabletten ab und überließ es meinem Immunsystem, mit der Geschichte fertigzuwerden. Richtig, und ich
    bekam eine Tetanusspritze.
    »Ich bin zufällig ein paar Leuten begegnet, die du sicher gemocht hättest«, sagte ich zu Bart, als er mich nach Hause fuhr. »Pöyzen-Böyzen-Fans.«
    Er rümpfte die Nase. Bartholomew war ein Heavy-Metal-Kenner. »Pöyzen Böyzen? Na ja. Die erste LP war nicht schlecht. Dann ist ihnen nichts mehr eingefallen -
    schreiben vielleicht zwei Songs im Jahr. Haben für ihre Videos einen auf Schwarze Magie gemacht. Aber das ist ausgelutscht und abgekaut.«
    »Gilt das nicht für Heavy Metal überhaupt?«
    »Doch. Hab' ich dir gesagt«, mahnte Bart. »Bei Heavy Metal kannst du nie hinter der Entwicklung herhinken.«
    Er sah mich an. »Was waren das für Typen? Woher weißt du, daß sie Pöyzen-Böyzen-Fans waren?«
    »Intuition.« Ich erzählte von dem Lastkahn.
    »Beschissen schlechte Kaufleute«, sagte Bart.
    »Wie meinst du das?«
    »Sie haben dem Teufel ihre Seele verkauft. Und was
    dafür gekriegt? Einen rostigen alten Kahn. Ich hätte da was mit 'ner guten Bar ausgehandelt. In U-Bahn-Nähe.«
    Als wir zu Hause waren, ging Bart zu seinen
    Plattenregalen und versuchte sich darauf zu besinnen, ob er Pöyzen Böyzen unter P oder B eingeordnet hatte. Das Lämpchen am Anrufbeantworter blinkte, also spulte ich ihn zurück und hörte mir die Sache rückwärts an. Wenn man's rückwärts laufen läßt, ist es meistens nur
    unverständliches Geschnatter. Aber das war es nicht. Es war eine Melodie, ein Song mit hartem Beat, den der
    Anrufbeantworter zu einem blechernen Tack-tack-tack
    komprimierte. Und darüber plapperte ein hohes, dünnes Stimmchen: »Satan kommt. Satan kommt.«
    Als

Weitere Kostenlose Bücher