Volles Rohr
Hunde
waren.
»Woran erkennst du eigentlich, daß das keine Wölfe
sind?« fragte ich.
»An den Halsbändern«, sagte Jim. »Keine Sorge, die
checken dich nur auf Dioxin ab.«
Wir setzten uns in die Küche, und Jim machte Kaffee.
»Anna ist in der Stadt, beim Einkaufen«, sagte er. »Was tut sich in Boston?«
»Weiß der Geier.« Ich erzählte ihm die PCB / PCP-Story einschließlich meiner Spekulationen. Jim schien der
großen Verschwörungstheorie den Vorzug zu geben.
»Du willst dich doch hoffentlich nicht mit der Mafia anlegen, oder?«
»Nicht ums Verrecken. Glaubst du wirklich, daß es die Mafia ist, Jim?«
»Ja. Das ist ziemlich ihr Stil.«
»Ich weiß nicht recht. Dafür sind sie doch noch zu
zimperlich.«
Jim dachte eine Weile nach. »Hör zu. Wenn sie hinter dir her sind und du in Schwulitäten kommst, dann hau ab
und geh in die Berge, in irgendein Reservat. Da gehst du hin und bittest um Hilfe, und ich sorge dafür, daß du sie bekommst.«
»Gute Idee. Ich nehme an, sizilianische Killer fallen ziemlich dumm auf in einem Reservat.«
Jim ließ meine flapsigen Worte kommentarlos durchs
Fenster segeln. »Wenn die Leute mißtrauisch sind, dann sag ihnen meinen Namen. Sie sollen mich anrufen oder sonstwas. Aber bleib nicht in Boston und laß dich zur Sau machen.«
Ich war überrascht von Jims Angebot, und geehrt fühlte ich mich auch. War nicht so, daß ich ihm übermäßig viel geholfen hätte. Aber ein Reservat war ein phantastisches Versteck.
Nach dem Kaffee liefen wir über Jims Grundstück. Ganz hinten hatte er einen Schießstand für Pfeil und Bogen und für Kanonen, und dort bubelten wir ungefähr eine Stunde herum. »So was solltest du dir anschaffen«, empfahl er und holte eine große Flinte mit einer Menge
Verzierungen vom Gewehrständer. »Halbautomatik. Ich
glaube, du bist der Typ dafür. Schau dir mal das Magazin an.«
»Was für ein Magazin?«
»Heiliger Gott, S. T. - dieses Rohr da unten, das ist das Magazin. Okay, vergiß es.« Er stellte die Flinte in den Gewehrständer zurück. »Staffieren wir dich eben mit
Pfeil und Bogen aus.«
Davon hatte Jim eine ganze Menge. Er machte sie nach Nez-Percé-Art, nach Lakota-Art, nach Irokesen-Art, das komplette Register rauf und runter. Er fand, die einzige Methode zu verhindern, daß das alte Wissen in
Vergessenheit geriet, sei die, es anzuwenden. Er konnte mit einem Messer in den Wald ziehen und ohne Vorlage ein Kanu aus Birkenrinde bauen. »Hab's allerdings nur einmal gemacht«, hatte er mir erzählt, »und zwei
Wochen dafür gebraucht.« Klang sehr bescheiden, aber er hatte es fertig gekriegt. Es war in seiner Garage. Bug und Heck hatte er in seiner Werkstatt hergestellt und sich kein Gewissen daraus gemacht, sie mit einer
Bandschleifmaschine zu bearbeiten. »Es geht darum«,
sagte er, »daß ich diese Dinge im Kopf behalte, nicht daß ich wie ein Urmensch lebe.«
Ich kam mit seinen Bogen selbst dann nicht klar, wenn ich es gewollt hätte. Ich konnte sie spannen, aber nicht lang genug halten, um das Ziel richtig anzuvisieren.
Außerdem war ich immer scheißnervös. Die
Bogensehnen bestanden aus zusammengedrehtem
Roßhaar, und ich war überzeugt davon, daß eine von
ihnen mal reißen und mir mit Überschallgeschwindigkeit ins Auge fliegen würde. Jim erlegte ein paar Ballen Heu für mich, und dann kam Anna nach Hause.
19
Der Rest des Tages war eine tierische Plackerei. Wir schlugen die Ladefläche des Lkw mit Plastikplanen aus, schütteten den Zement und den Kies zu einem Haufen
auf und rührten das Ganze zusammen. Dann ging ich in eine Bar. Gegen halb zwölf Uhr nachts riß ich mich vom Flippern los und ließ mich von Frank abholen. Wir
fuhren mit dem Laster zu Boner, bogen in eine Sackgasse ein und rollten im Rückwärtsgang bis zum
Einstiegsschacht, den uns unser Informant genannt hatte.
Der Rest war einfach, stumpfsinnig und naheliegend. Wir hoben den Kanaldeckel vom Einstiegsschacht. Wir hatten zwar nicht das richtige Werkzeug dafür, aber ein großer starker Mann wie Frank konnte das auch mit Stemmeisen und Meißel. Wir schaufelten die Mischung aus Zement
und Kies in die Jutesäcke und schichteten sie im
Abflußrohr auf, bis es dicht war. Dann machten wir
dasselbe noch mal - doppelt gemauert hält besser.
Inzwischen war im Abflußrohr ein Stau eingetreten, und zwischen den Säcken sickerten hochprozentige
Dioxinsäfte durch.
Mir wurde schlecht, weil ich beim Flippern drei Dutzend glühheiße
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