Volles Rohr
Aktentaschen drehten sich im Wind.
Am dritten Tag passierte nicht viel. Boner hatte beschlossen, die Sache mit amüsierter Nachsicht zu
betrachten. Sie wußten noch nichts von den
Zementsäcken. Im Betrieb stauten sich irgendwo in
einem Vorhaltbecken giftige Abwässer, aber sie hatten es nicht gemerkt. Heute abend würden wir fahren, und wenn sie sehr auf Zack waren, würden sie feststellen, daß ein Einstiegsschacht verschwunden war.
Am Nachmittag zogen Debbie und ich uns in die
Flitterwochensuite zurück, wo wir miteinander redeten und beinah Sex hatten. Ich saß auf dem Bett, nutzte die Möglichkeit, per Glotze einzukaufen, schaffte mit der Kreditkarte von Biotronics Mikrowellenherde an, ließ sie an Adressen in Roxbury gehen und trank Bier. Die drei Tage im Lkw hatten mich ziemlich alle gemacht. Jim
Grandfather kam vorbei, ich stellte das Bier weg, weil der Geruch ihn störte, und dann saßen wir still da,
schauten Football mit abgestelltem Ton und hörten zu, wie Debbie unter der Dusche sang.
Am Morgen badete ich, lieh mir einen Fön und trocknete meine Haare, bis ich so verweht aussah wie das
Schlußlicht bei einem Moto-Cross-Rennen. Dann
schlüpfte ich in meinen dezenten Dreiteiler, zog
Kniestrümpfe an, streifte Plastikbeutel drüber und griff zu meinen schreiend grünen Turnschuhen, die mit
diversen Toxinen besprenkelt waren. Ich bewahrte sie immer in einer kleinen Kühlbox auf. Band mir eine
Krawatte um, die einer toten Forelle nachgebildet war.
Jim fuhr mich mit seinem Lieferwagen in die Stadt und setzte mich dort ab. Er zog los, um einen neuen Riemen für seine Waschmaschine zu kaufen; ich betrat die
Eingangshalle eines großen Bürogebäudes.
Die Typen vom Sicherheitsdienst warteten schon auf
mich und brachten mich sofort in eine der obersten
Etagen. Wir witschten durchs Labyrinth der
Sekretärinnen, und dann wurde ich in einen schicken
Konferenzsaal geleitet, in dem das Topmanagement von Boner Chemical versammelt war.
War alles durchchoreographiert. Ein Dutzend reiche
weiße Säcke und ich. Natürlich bin ich auch weiß, aber irgendwie vergesse ich das immer. Die weißen Säcke
saßen im Halbkreis, eine Art Parabolspiegel mit einem leeren Stuhl in der Mitte, damit sie ihre Blicke nach innen bündeln und ihre Gemeinheitsenergien auf mich
konzentrieren konnten. Aber ich nahm in einem Sessel Platz, der ein Stück abseits unterm Fenster stand.
Schuhleder knarrte, Parfümwolken und Martinifahnen
segelten beziehungsweise flatterten durch den Raum, als alle sich umsetzten. Die Sessel waren klotzig, und das Ganze war mit Arbeit verbunden. Die Jungs hatten keine einheitliche Marschroute, also entwickelten sich die Dinge etwas chaotisch. Einige Manager saßen weit außen am linken und rechten Flügel, andere mußten über
nadelgestreifte Schultern spähen. Alle plierten in die Sonne - ein glücklicher Zufall. Ich lehnte mich mitsamt dem Sessel gegens Fenstersims, so daß meine grünen
Turnschuhe in die Luft aufstiegen. Da saß ich nun,
betrachtete diese nervöse Phalanx aus Spitzen der
Gesellschaft und dachte mir, was für ein besoffener Job das war. Ich verbringe meine Zeit damit, daß ich mit Leuten lebe und arbeite, die wahrscheinlich reisende Puppenspieler wären, wenn es GEA nicht gäbe. Leute,
die zur Krebsverhütung Quarzkristalle unter ihr
Kopfkissen legen, die das Gefühl haben, der Tag sei
verloren, wenn sie keine Gelegenheit hatten, vor
laufender Kamera einen neuen Sprechchor zu bringen.
Ab und zu stoße ich Drohungen gegen die Vorstände
großer Firmen aus. Wenn ich frei habe, gehe ich in
ungeklärten Abwässern tauchen. Meine Tante fragt mich zwischendurch, ob ich jetzt einen Job habe.
Die Säcke stellten sich vor, aber ich vergaß ziemlich schnell, wie sie hießen und welchen Dienstgrad sie
hatten. Vorstände tragen keine Namensschildchen an
ihrem anthrazitgrauen Kammgarn. Die meisten waren
von Boner, aber es waren auch ein paar von Basco dabei.
»Tut mir leid, das mit Ihrem Dioxin- Abflußrohr«, log ich, »aber seien Sie unbesorgt. Mit ein paar Zentnern Dynamit läßt sich das ohne weiteres richten.«
Der Sack mit den Brillengläsern, die so groß waren wie Bullaugen, sagte: »Sie irren sich, Mister, wenn Sie
meinen, daß Sie hier einfach ein Abflußrohr dichtmachen und …«
»Ungestraft davonkommen können?« fragte ich.
»Genau.«
»Ebendies ist just passiert«, sagte ich. »Und nun zum zweiten Punkt. Wir sind mächtig sauer über
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