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Vollmeisen

Vollmeisen

Titel: Vollmeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klein Kerstin
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erste Kuh. Anscheinend waren sie es nicht gewohnt, mitten in der Nacht in ihrem Schlaf gestört zu werden. Simon schüttelte die Dose mit der linken Hand und hörte das Klappern des Sticks. Danach steckte er sie sich in die ausgebeulte Jacke, aber die Pistole blieb weiter auf mich gerichtet. »Wir beide machen jetzt einen kleinen Ausflug«, forderte er mich auf.
    Â»Mensch, Simon, denk doch mal nach. Du hast doch jetzt das, was du wolltest, da brauchst du dich doch nicht mit mir auf deiner Flucht zu belasten. Lass mich einfach hier, ich werde auch mit niemandem über unser Treffen reden.«
    Â»Glaubst du, ich bin blöd? Du steckst doch mit den Bullen unter einer Decke, wahrscheinlich haben die schon diesen Scheißstall hier umstellt«, schrie er mich an. Worauf die nächste Kuh muhte.
    Â»So, raus hier jetzt.« Er schob mich vor sich und hielt mir nun die Pistole an den Kopf. Ich war ganz sicher, gleich würde ich hyperventilieren. O Gott, ich hätte mir selbst eine reinhauen können für meine Blödheit. Das hatte man davon, wenn man seinem Exfreund vertraute.
    Irgendetwas musste mir einfallen und zwar ganz schnell. Sobald wir auf dem Feldweg waren, hätte ich überhaupt keine Chance mehr. So, wie ich Simon mittlerweile einschätzte, würde er mich in dem Moment erschießen, in dem er sicher am Auto angekommen war. Hatte ich ihm nicht selbst gesagt, dass er sich nicht mit mir zu belasten bräuchte? Aber ich wollte nicht sterben. Gut, ich meine, niemand will das. Aber ich hatte doch gerade erst Nick gefunden. Das erste Mal seit ewigen Zeiten verstand ich mich wieder mit meiner Schwester. Ich wollte eine Zukunft haben.
    Â»Halt«, sagte ich, »nicht hier raus. Wir müssen durch den Kuhstall, dann sind wir gleich auf einer Weide, und dort wird dich niemand sehen.«
    Er schwenkte um und schob mich durch den Stall. Die Kühe guckten mich mit ihren großen Augen an. Fast glaubte ich, Mitleid in ihnen zu erkennen.
    Â»O Gott, mir wird schlecht. Ich muss mich übergeben«, sagte ich und blieb stehen.
    Â»Weiter«, zischte Simon in mein Ohr, »du wirst jetzt nicht kotzen, wir müssen hier raus.«
    Â»Lass mich nur eine Sekunde ausruhen, dann geht es gleich wieder«, bat ich ihn und tastete vorsichtig nach dem Griff des Elektrobandes. Wenn ich es in dem ziemlich dunklen Stall richtig erkannt hatte, müsste ich eigentlich direkt vor einem der Griffe stehen. Wenn dem nicht so wäre und ich an das Band kam, würden wir beide einen Schlag bekommen. Und wie Bauer Erich mir gesagt hatte, wäre der nicht so stark, jemanden außer Gefecht zu setzen. Aber wohl stark genug, damit Simon erkennen würde, was ich hier tat. Ich gab ein paar Würgegeräusche von mir, und in dem Moment, in dem Simon mich wieder nach vorne schob, nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und langte zu. Ich hielt tatsächlich den Griff und nicht das Band in der Hand.
    Da Simon mich weiter den Gang hinunterschob, zog ich im Gehen ganz automatisch den Griff aus der Schlinge. Jetzt oder nie. Ich warf das Band mitten in die Kühe, die panisch hochschreckten. Fast war ich erstaunt, dass Simon nicht abdrückte und mich erschoss. Stattdessen stolperte er zurück und schrie: »Scheiße, die Kühe sind frei. Die werden mich tottrampeln!« Im Gegensatz zu ihm war ich vorbereitet und sprang nach vorne zur Tür. Kaum hatte ich sie aufgerissen und war zur Seite gesprungen, drängten sich die Kühe schon hektisch in den Mittelgang. Sie hatten einen Heidenrespekt vor dem in ihre Mitte fliegenden elektrischen Band und traten entsetzt die Flucht nach vorne an. Sie taten mir sehr leid, und ich beschloss, sobald ich dafür Zeit hätte, das wiedergutzumachen. Aber erstmal sah ich zu, dass ich nicht zwischen sie geriet und schrie, so laut ich nur konnte: »Viehdiebe! Die Viehdiebe sind wieder da!«
    Erst gingen überall im Haus und dann auf dem Hof die Lichter an, und Bauer Erich stürzte aus der Haustür. In der einen Hand hielt er die Schrotflinte, in der anderen eine Pfeife, in die er hektisch hineinblies. Ein schriller Ton erklang. Ich raste zu ihm, um mich hinter ihm und seiner Schrotflinte in Sicherheit zu bringen. Panisch blickte ich zurück und erwartete, dass Simon mit seiner Pistole um sich ballern würde. Aber mindestens eine dieser lieben, lieben Kühe musste ihn beim Ausbruch gerammt haben. Er hinkte mit schmerzverzerrtem Gesicht und,

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