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Vollmeisen

Vollmeisen

Titel: Vollmeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klein Kerstin
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nicht, aber leider habe ich keine Zigaretten für dich. Können wir denn jetzt noch ein bisschen schlafen?«
    Na gut. Er konnte von mir aus so cool tun, wie er wollte. Und auch wenn er mich nur im Schlaf geküsst hatte, eigentlich zählte das viel mehr als ein Kuss im Wachzustand. Denn im Schlaf übernahm ja sozusagen das Unterbewusste die Regie, und das bedeutete, dass er wirklich und sogar ganz tief drinnen etwas mit mir anfangen wollte. Hörte er sonst von mir aus auf sein Polizistengewissen, das immer »Finger weg von der Schutzbefohlenen, Finger weg von der Schutzbefohlenen« wiederholte, so gehörte er im Schlaf doch mir. War doch ein Anfang.

Als ich aufwachte, sah es draußen schon sehr hell aus. Ein Blick auf die Uhr bestätigte das, ich hatte fast bis elf Uhr geschlafen. In der Küche fand ich nur einen Zettel von Nick, der mir mitteilte, dass er zurückmusste und mich abends anrufen würde. Also würde ich ihm eben dann meine Hilfe als Lockvogel anbieten. Bis dahin konnte ich ja schon mal googeln , was zwischen ihm und mir so erlaubt wäre. Aber was sollte ich da eingeben? Ich versuchte es mit »Schutzhaft verliebt«, aber da kamen nur Inhaltsangaben von Filmen. Toll, so weit war ich ja selber schon. Also vielleicht »Verdeckter Ermittler Zeuge verliebt«. Nee, auch nicht. Jetzt kamen die Inhaltsverzeichnisse von Seifenopern. Ich würde wohl mal so ganz nebenbei auf das Thema zu sprechen kommen müssen, wenn ich wieder mit Nick redete. Er sollte das ja wohl wissen.
    Wenn ich schon vor dem Computer saß, konnte ich ja gleich mal meine Mails checken. Oder war das auch verboten, so wie die Benutzung meines Handys? Konnte man jemanden auch über eine E-Mail ausfindig machen? Ach Mann, das war alles so kompliziert, dieses ganze Schutzbefohlenen-Ding. Wenn ich bei der Polizei was zu sagen hätte, dann wäre meine erste Anordnung, dass jeder, der irgendwo versteckt wird, erstmal ein Regelwerk bekommt, wie er sich zu verhalten hatte. »Pflichten und Rechte der in Schutzhaft Genommenen« oder so ähnlich. Dann wüsste man doch wenigstens mal Bescheid, da könnte dann auch gleich drinstehen, ob man was mit seinem Aufpasser anfangen darf oder ob man sich abmelden muss, wenn man mit den Schützenschwestern zu einer Fischfabrik-Besichtigung fährt.
    Während ich noch über so ein Regelwerk grübelte, klingelte es mal wieder an der Tür. Also mein gesellschaftliches Leben hier auf dem Land war ganz schön ausgeprägt. Diesmal stand die Turbanfrau vor der Tür. Ich erinnerte mich, dass sie auch mit auf dem Bustrip gewesen war, aber ich hatte ihren Namen vergessen. Doch was ich nicht vergessen hatte, war ihre Kopfbedeckung. Solch eine Art Turban hatte ich früher einmal bei einer ganz alten Dame gesehen. Aber das war schon verdammt lange her. Entweder gehörte sie also einer speziellen Glaubensrichtung an, oder ihr war selbst klar geworden, dass nichts schlimmer als ein Meckihaarschnitt war. Sie sprach mich so leise an, dass ich sie kaum verstehen konnte. »Ich wollte dich fragen, ob ich deine Aura reinigen darf«, flüsterte sie.
    Hilfe, was war denn das? War sie etwa so was wie der weibliche Dorftrottel? Gab es so jemanden in jedem Dorf? Aber wie behandelte man die? Scheuchte man sie weg, oder ging man auf sie ein? Noch etwas für mein Regelwerk.
    Ich versuchte den mittleren Weg – verständnisvoll, aber bestimmt: »So, du willst also meine Aura reinigen? Das ist wirklich nett von dir, aber ich habe gar keine Zeit. Du musst jetzt nach Hause gehen.«
    Die Turbanfrau sah mich befremdet an. »Warum sprichst du denn so laut? Und was für eine Aura will ich reinigen? Ich habe nur gefragt, ob du mir deinen Augenreiniger leihen kannst, du trägst doch auch Kontaktlinsen. Ach, vergiss es, ich fahre zur Apotheke.«
    Im Weggehen murmelte sie noch irgendwas von verrückten Städtern und dass sie keine Ahnung hätte, wie man mit denen umging.
    Mist. Jetzt glaubte sie, ich wäre unfreundlich. Ich konnte es nicht leiden, wenn mich Leute nicht mochten. Das machte mich ganz verrückt, also rannte ich ihr schnell hinterher.
    Â»He, Turbanfr… Äh, hallo, meine ich. Tut mir echt leid, du hast mich gerade auf dem falschen Fuß erwischt, ich probe für ein Theaterstück und war noch so in meiner Rolle drin.« Was mir doch manchmal für ein Zeug einfiel. »Natürlich kannst du meinen

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