Vollmeisen
können Sie sich in aller Ruhe Skizzen machen. Weil, jetzt müsste ich nämlich wieder schlafen.«
»Vielen Dank und entschuldigen Sie nochmals die Störung, ich werde morgen früh da sein. Ich hab auch nur noch eine Frage. Sind Ihre Kühe so gut erzogen, dass sie nicht einfach mal die Seite wechseln?«
»Welche Seite wechseln?« Er verstand mich nicht.
»Na ja, da ist ja nur so ein dünnes Band, das könnten die doch bestimmt einfach wegschieben.«
»Ach so. Nun, das Band ist zwar dünn, aber es enthält einen Elektrodraht. Wer dagegen kommt, der kriegt einen heftigen Schlag. Also nicht so, dass es gefährlich wäre, aber es zwiebelt ganz schön.«
»Funktioniert das nur bei den Kühen? Weil, wenn Sie da mal rein müssen, tut es bei Ihnen dann nicht weh?«
»Strom ist Strom«, sagte Bauer Erich philosophisch. »Dafür gibt es isolierte Griffe, die kann man anfassen.«
Ich wurde hier noch zu einer richtigen Landfrau. Was es nicht alles gab!
Nun, da meine Neugier, nein, mein Wissensdurst befriedigt war, verabschiedete ich mich und eilte wieder nach Hause. Ich musste heute also wohl wieder früh ins Bett, denn anscheinend wartete der nächste Frühaufstehertag auf mich. Konnte mir nicht vorstellen, dass Bauern ihre Tiere zu zivilen Zeiten, wie zum Beispiel um elf Uhr, fütterten.
Diesmal stellte ich meinen Wecker noch früher, auf sechs Uhr. Dann las ich im Bett noch die Gala , bis mir die Augen zufielen.
Am nächsten Morgen wurde ich durch ein wütendes Hämmern an der Tür geweckt. »Alice, mach verdammt noch mal endlich diesen Krach aus, hier gibt es Leute, die noch schlafen wollen!«, hörte ich Jürgen brüllen. Erst jetzt bemerkte ich den Radiowecker, der anscheinend schon seit ungefähr fünfzehn Minuten auf voller Lautstärke die neuesten Charts spielte. Ich hatte schon immer einen tiefen Schlaf, und der wurde durch die gesunde Landluft bestimmt noch verstärkt. Müde machte ich den Wecker aus und setzte mich verschlafen auf. Himmel, war ich fertig. Die armen Schweine bestimmt auch, ich wette, die hätten ihr Frühstück lieber später.
So schnell es in meinem Zustand möglich war, zog ich mir Jeans und ein T-Shirt an. Das war wohl für einen Besuch im Schweinestall angemessen. Schnell griff ich mir noch die Spieluhr und flitzte zu Bauer Erich rüber. Dort angekommen, kam mir sein Sohn entgegen, der offenbar Richtung Bushaltestelle wollte. Meine Güte, selbst die unschuldigen Kinder werden hier mitten in der Nacht aus dem Haus gejagt. Der war aber richtig niedlich, er starrte mich nicht an, sondern wies mir den Weg zum Schweinestall, nachdem ich ihn danach gefragt hatte.
»Da, siehst du, die Halle neben dem Kuhstall, da sind die Schweine drin. Und eine Sau hat gerade Ferkel bekommen, die sind so niedlich. Wenn du willst, darfst du mal mit mir zusammen mit ihnen spielen.«
Ich sagte ihm, dass ich mich darauf schon sehr freuen würde, und ging auf die besagte Halle zu.
Der Geruch im Schweinestall war nicht so angenehm wie der im Kuhstall. Nee, im Gegenteil, igitt, hier stank es aber richtig. Die Frau von Bauer Erich, Kirsten, war gerade dabei, eine Schubkarre voll ekligem Schleimzeug in die Tröge der Verschläge zu leeren. Sie wünschte mir freundlich einen »Guten Morgen«. »Erich hat mir gesagt, dass du hier ein paar Skizzen machen willst. Hast du denn gar keinen Block dabei?«
Blöd. Den hatte ich vergessen. »WeiÃt du, wenn es möglich wäre, würde ich hier einfach gerne ein bisschen auf und ab gehen, um so ein Gefühl für die Atmosphäre zu bekommen. Skizzen kann ich dann immer noch machen.«
Ich bezweifelte, dass ich das konnte. Ãber Strichmännchen war ich nie hinausgekommen.
»Ja, klar, mach nur, wie du willst«, ermunterte sie mich und wandte sich wieder ihren Schweinen zu.
Ich wusste genau, wonach ich suchte. Beim Grillen hatten sich ein paar Leute darüber unterhalten, dass der Zuchteber von Bauer Erich für vier Wochen ausgeliehen war. Ich hatte zwar keine Ahnung, wer sich einen Eber lieh, alles konnte ich schlieÃlich auch nicht wissen, aber ich hatte mir überlegt, dass so ein Zuchteber bestimmt allein wohnte. Und da der sicher lieber zu den Säuen wollte, als sich in seinem einsamen Verschlag zu langweilen, müsste der einen ausbruchsicheren Stall haben. Und da kam Punkt 3 ins Spiel. Wo ein Eber nicht
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