Vollmondfieber: Roman (German Edition)
Haar. »Weil ich dich nicht bei deiner Wandlung beobachtet habe, kann ich halbwegs glaubhaft versichern, ich wüsste von nichts. Niemand hat dich bisher in deiner Wolfsgestalt gesehen, also kann auch niemand sicher wissen, dass du dich gewandelt hast. Wenn wir Glück haben, glauben sie,das Signal stamme von einem Wolf aus den Southern Territories, was immerhin möglich wäre. So etwas gab’s schon einmal. Und genau das, Entfernung hin oder her, können wir für uns nutzen.« Die U.S. Southern Territories kontrollieren alles, was südlich der Mason-Dixon-Linie liegt, bis hinunter nach Mexiko, mein Vater alles, was nördlich davon liegt, bis rauf nach Kanada.
Mein Bruder nickte zustimmend.
Dafür zu sorgen, dass mein Vater das Rudel nicht belügen musste, war wichtig. Wölfe können eine Lüge spüren, weil der Körper dergleichen stets verrät. Das Herz rast, die Pupillen weiten sich, und man transpiriert. Mein Vater, immerhin ein starker Alpha, konnte eine Lüge durch Auslassung etwa verbergen. Aber sollten die Wölfe ihn zu eingehend befragen, würden seine Gefühle auch ihn verraten.
»Ich bin erleichtert, dass sie mich nicht hören können. Aber macht sie nicht schon neugierig, dass ich zurück bin? Sie wissen doch, dass ich hier bin, oder?« Meine Anwesenheit im Habitat geheim zu halten, wäre viel zu kompliziert. Eigentlich hätte ich gar nicht mehr hier sein dürfen, besser noch, ich wäre in Europa geblieben. Nachdem ich vor etlichen Jahren endlich das Rudel verlassen hatte, hatte ich unter dem Namen Molly Hannon ein neues Leben begonnen. Dem Rudel war gesagt worden, dass Jessica nach Europa gegangen sei und nicht mehr zurückkäme. Und tatsächlich hatte ich auch einige Zeit in Übersee verbracht, um mich von den Verletzungen zu erholen, die ich mir bei einem Kampf kurz vor der Abreise aus dem Habitat zugezogen hatte. Also war das nicht ganz unwahr, und mir hatte es Glück gebracht. Als Molly kehrte ich in die Staaten zurück und lebte fortan etwa zwei Stunden südlich vom Habitat in den Twin Citys ein segensreich ereignisloses Leben. Niemand dort wusste, wer ich war, und das wollte ich mir unbedingt bewahren.
»Ich habe ihnen erzählt, du seist für ein paar Nächte in der Stadt, um endlich einmal deinen Bruder zu besuchen. Du seistbei Danny abgestiegen und rein zufällig gestern spätabends hier angekommen.« Danny Walker, der beste Freund meines Bruders und ein weiterer meiner wenigen Verbündeten. Er überwachte die Stadtgrenzen und suchte nach fehlgeleiteten Wölfen. Er war verdammt gut in seinem Job.
»Und das haben sie gefressen?«
»Du warst seit sieben Jahren nicht hier. Es wurde Zeit.«
»Falls die Neuigkeit über meine Wandlung bekannt wird, wird es schwer, sie davon zu überzeugen, dass ich nicht ihr Feind bin. All die Jahre hat sich ja der Kain-Mythos in ihren Köpfen breitgemacht. Sie werden meine Rückkehr für den Beweis halten, auf den sie so lange gewartet haben. Sie werden mich beschuldigen, dass ich das Rudel vernichten will.«
»Dass du gleich nach Erlöschen des Signals hier auftauchst, ist nicht gut, zugegeben.« Mein Vater ging durch den Raum in Richtung Treppe. »Aber alles, was uns an Zeit herauszuschlagen gelingt, gibt mir Gelegenheit, das Rudel auf die Neuigkeit von deiner Wandlung vorzubereiten. Vorbereitet werden sie besser damit umgehen. Einige der Wölfe haben ihre Haltung dir gegenüber während der letzten paar Jahre geändert und stehen dir nun weniger ablehnend gegenüber. Aber wenn sie von deinem neuen Status als reinrassiger Wolf erfahren, wird das ihre Überzeugungen erneut erschüttern.« An der Treppe drehte Dad sich noch einmal um. »Ich gehe zurück, um mit ihnen zu reden. Wenn du gefrühstückt hast und Doc mit deiner Untersuchung fertig ist, treffen wir uns im Haupthaus, um unsere nächsten Schritte zu besprechen.«
Tyler tätschelte mir das Knie, als er sich erhob. »Mach dir keine Sorgen, Jess! Wir kriegen das schon hin. Und nur für die Akten: ich halte dich bestimmt nicht für eine Missgeburt.«
Ähm, danke …?
KAPITEL DREI
N achdem ich mehr Nahrung auf einmal hinuntergeschlungen hatte als je zuvor in meinem Leben, ließ man mich eine Reihe von Tests durchlaufen. Dabei wurde alles an Gewebeproben genommen, von dem ich mich trennen konnte. »Ich sage doch, es geht mir gut. Das da ist völlig unnötig.« Ich thronte auf der Bettkante und schwang die nutzlosen Krücken. »Meine Beine fühlen sich großartig an.«
Dr. Jace stand neben mir und
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