Vollmondfieber: Roman (German Edition)
mit einigen Dingen aussöhnen. »Es ist unsere Pflicht, alle Gefährten zu akzeptieren … auch wenn sie … auch wenn sie … anderen … Gemeinschaften entstammen.« Er straffte die Schultern, offensichtlich um ein Schaudern zu unterdrücken. Ich aber liebte ihn mehr als je zuvor. »Sie wird die Suche nicht allein bewältigen müssen. Ihr Rudel wird ihr helfen.«
Verärgert über die Störung setzte die Königin eine finstere Miene auf und wirkte ein wenig gekränkt. »Auch wenn jeder eurer Wölfe sich an der Jagd beteiligt, wird das nicht das Geringste ändern, Junge.« Sie wedelte herablassend mit der Hand. »Ihr werdet ihn nie rechtzeitig finden. Und selbst wenn es euch gelingt, irgendwie über Selenes Lager zu stolpern, ist ihre Macht, euch abzuwehren, wie ein endlos großer, todbringender Ozean. Sie wird euch töten, sobald ihr in ihr Blickfeld geratet, falls ihre unzähligen Fallen das nicht schon vorher tun.« Eudoxia lachte glockenhell und hart zugleich und richtete ihren starren Quecksilberblick auf mich. »Deine einzige Chance, kleines Wolfsmädchen, besteht darin, mir einen Eid zu leisten. Du wirst schwören, mir einen kleinen Gefallen meiner Wahl zu erweisen. Dann werde ich dir zwei meiner besten und klügsten Fährtenleser überlassen, die dich bei deiner Suche unterstützen. Ohne die beiden wirst du scheitern. Du hast keine Wahl.«
KAPITEL DREIUNDZWANZIG
A uf keinen Fall!« , donnerte mein Vater, und seine Stimme übertönte den allgemeinen Lärm um uns herum. Ungeheure Kraft lag in seinen Worten. Alle verstummten, ob sie wollten oder nicht. Dad ließ meine Arme los und ging direkt zur Königin. »Werwölfe legen vor Vampiren keinen wie auch immer gearteten Eid ab. Oder vor sonst irgendjemandem. Wir haben unsere Kämpfe stets selbst ausgefochten, und das werden wir immer tun.«
»Tatsächlich?« Die Königin hielt sich gerade außerhalb von Vaters Reichweite, und ihr Akzent trat nun stärker zutage. »Dabei hat gerade letzte Woche ein Rudel räudiger Wölfe, darunter einige deiner eigenen kostbaren Jungen, ganz begierig einen Eid vor mir abgelegt . Im Gegenzug habe ich geschworen, deine Tochter zu finden und herzubringen.« Eudoxia lächelte durchtrieben. »Sie waren sogar so selbstverliebt und haben so hastig ihren Eid abgelegt, dass sie ganz vergessen haben, mich zu fragen, ob ich die Absicht habe, ihr das Leben zu nehmen, oder ob ich nur an einer Plauderei mit ihr interessiert bin.«
Meines Vaters Miene blieb unbewegt. Mich brachte das auf den Gedanken, er müsse sehr genau über den rudelübergreifenden Bruch und die neue Splittergruppe informiert sein. Zum ersten Mal fragte ich mich, wo Hank und einige der jüngeren Wölfe waren. Denn hier waren sie nicht. Ich wusste, dass ich Hank in seiner Wolfsgestalt hinter meinem Vater auf der Lichtung gesehen hatte. Aber zu erfahren, dass ich Stuart getötet hatte, musste seinen Hass auf mich raketenartig bis in die obere Stratosphäreaufsteigen lassen. Wie sich das auswirkte, wollte ich lieber nicht so genau wissen.
»Ich kann dir versichern, Eudoxia«, ertönte leise und wild die Stimme meines Vaters, »die Wölfe, die angeblich einen Eid vor dir abgelegt haben, waren nichts anderes als Einzelgänger. Es sind ehrlose Wölfe, die keinem Rudel mehr angehören. Wir selbst werden sie zur Strecke bringen. Kein Wolf, der über eine Spur Selbstwertgefühl verfügt, würde je die Hilfe von Vampiren in Anspruch nehmen. Ehrbare Wölfe haben ihre Kämpfe stets selbst ausgefochten. So wird es auch in der Zukunft sein. Niemand wird vor dir irgendeinen Eid ablegen!«
»Ach, Callum, wie überaus altmodisch und unendlich männlich du doch bist! Ich glaube, du wirst bald lernen, dass Personen … femininer Ausrichtung manches anders beurteilen.« Die Königin richtete ihren Vogelblick auf mich. »Na, kleine Wölfin? Bist du derselben Meinung wie dein Daddy? Oder willst du deinen Gefährten zurückhaben … lebend? « Ihre Macht pulsierte durch den Raum.
Keine Spielchen mehr.
Ich biss mir von innen in die Wange.
Bitter schmeckte ich Eisen auf der Zunge, und ich fühlte die Wut meines Vaters auf mir lasten. Ich wusste nur eines: Unsere derzeitigen Ressourcen würden uns so schnell keinen Hinweis auf Selenes Verbleib liefern, nicht einmal wenn wir uns Devons umfangreiche Fähigkeiten im Umgang mit Computern zunutze machten. Wölfe kümmerten sich üblicherweise um Wölfe. Böse Göttinnen, Kobolde, Dämonen und Vampire wurden ignoriert, es sei denn, sie
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