Vollmondfieber: Roman (German Edition)
aufblitzen.
Mein Vater hatte gerade zwei Leibwächter angeheuert, die vermutlich mehr kosten würden, als ich in zwei Jahren verdienen konnte.
»Ich unterbreche dieses familiäre Stelldichein nur ungern«, blaffte die Königin. »Aber die Sonne wird bald am Horizont aufgehen, und wir müssen uns beeilen, wenn wir weiterkommen wollen.«
Ich drehte mich zu ihr um. »Ich nehme Ihre Hilfe an.«
Die Königin umrundete den Altar und schnipste mit den Fingern. »Eamon, Naomi, tretet vor!«
Zwei Vampire, beide in zeitgenössischer Kleidung, traten vor. Unverkennbar waren sie Geschwister, beinahe gleich groß, das gleiche braune Haar, der gleiche Schwung in den wie emailliert wirkenden Gesichtern, die gleichen dunklen Augen und gewölbten Brauen. Beide sahen aus, als wären sie mit Anfang zwanzig im Moment des Todes eingefroren worden, was, wie mir schien, ein verbreitetes Merkmal der Untoten war.
Die Königin wandte sich wieder an mich. »Diese beiden sind einander verwandtschaftlich verbunden, und jeder besitzt eine besondere Fähigkeit. Der eine ist ein herausragender Fährtenleser, der andere verfügt über äußerst feine Sinne. Sie sind nicht nur imstande, dich sicher an dein Ziel zu geleiten, sondern zudem, Selenes diverse Verteidigungsmaßnahmen zu umgehen.« Eudoxias Stimme klang nun härter. »Ich lüge nicht, wenn ich dir sage, dass dies deine einzige Chance ist, deine Suche erfolgreich abzuschließen. Wenn du aber Selenes Lager betrittst, dann liegt es an dir und nur an dir, deinen Gefährten zu retten. Selene ist eine sehr gefährliche Kreatur. Außer deiner Katze hat sie bisher niemand je besiegt. Sie wird ihn dir nicht einfach überlassen. Du wirst sie töten müssen.«
»Und was verlangen Sie im Gegenzug von mir?« Die Eine-Milliarden-Dollar-Frage. Wenn der Preis zu hoch wäre, wäre ich gezwungen zu gehen, und meine Chance wäre verwirkt.
Neben mir versteifte sich mein Vater vor Anspannung. Jede Faser seines Seins rebellierte gegen das, was ich zu tun im Begriff war. Aber er schwieg und stand zu seiner Entscheidung.
Die Königin trat neben mich. Ihr halb geöffneter Mund verriet ihr Entzücken. Sie hatte die Oberhand, und wenn ich mich weigerte – nun, sie würde sich zufrieden an meinem Kummer weiden. »Es ist eigentlich gar nichts.« Wieder wedelte sie herablassend mit der Hand. »Du wirst mir schwören, dass du am Vorabend unseres jährlichen Ţepeş-Festes hier in New Orleans zu uns kommst, um uns als Wache zu dienen, während wir unsere … Festlichkeiten … genießen.«
Mein Mund klappte auf, ohne dass ich ganz damit einverstanden gewesen wäre. »Sie wollen, dass ich bei Ihrer alljährlichen Gala den Wachhund spiele?«, fragte ich ungläubig. Sie wollte nicht meinen Erstgeborenen? Oder sich im Stundenabstand an meinem Blut verköstigen? Oder mich von Valdov foltern lassen?
»Oh, das ist nicht irgendeine Party , kleines Wolfsmädchen. Das ist ein … Ereignis. Es dauert ganze vierzehn Tage, und die Orgie kann leicht … außer Kontrolle geraten. In der Vergangenheit haben wir Söldner wie deine Katze angeheuert, damit sie ein Auge auf die Dinge haben und dafür sorgen, dass die Menschen nichts merken. Aber in diesem Jahr benötigen wir etwas zivilisiertere Wächter. Denn in diesem Jahr begehen wir zum fünfhundertfünfzigsten Mal diese Feierlichkeiten. Wir beabsichtigen, uns selbst zu übertreffen .«
Ein eiskalter Schauer rann mir über den Rücken. Ich wollte gar nicht wissen, inwiefern die Vampire sich zu übertreffen gedachten. Meine Gedanken überschlugen sich, als ich versuchte, Eudoxias Worte zu verarbeiten. Es gab einen Haken an der Sache. Es gab immer einen Haken. Mich hierher zurückzuholen, in diese Mauern, musste von großer Bedeutung für Eudoxia sein. In vierzehn Tagen konnte mir wer weiß was zustoßen. In Anbetracht dessen, welche Maßnahmen sie ergriffen hatte, um mich überhaupt hierherzuschaffen, stand eindeutig fest, dass mir hinsichtlich des Interesses, das die gute Königin an mir hegte, etwas entging.
Ein Umstand, den ich so schnell wie möglich zu beheben gedachte.
Mein Vater musterte die Königin finsteren Blicks. Jeder Gesichtszug spiegelte seinen Widerwillen. Die Königin verschränkte die Arme vor der Brust. Ungeduldig klopfte sie mit dem Fuß auf den Boden.
Offenbar ließ ich mir zu viel Zeit. »Wenn ich Ihren Bedingungen zustimme, dann nur, wenn ich im Gegenzug auch einige Forderungen stellen kann«, stieß ich hervor, »oder ich gehe sofort und nehme
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