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Vollmondstrand

Vollmondstrand

Titel: Vollmondstrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra M Klikovits
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war ihm zu sehr ›Piroschka‹.
    Sagte in dem Film nicht jemand, man müsse entweder völlig verrückt oder wahnsinnig verliebt sein, um Ungarisch zu lernen (war da eigentlich das Essen inkludiert)? Und wie stand es mit Finnisch? Rosa hatte es im Lauf ihrer Verliebtheit versucht, aber weit über ›Terve‹ war sie nicht hinausgekommen. Die 15 Fälle fanden nicht so recht Eingang in ihre Gehörgänge, von den Gehirnwindungen ganz zu schweigen.
    In Martis Familie sprachen alle ein wenig Deutsch. Einige seiner Schwestern hatten in Deutschland studiert oder zumindest ein Auslandssemester absolviert. Marti war ganz nach Österreich gekommen.
    Im Internationalen Studentenheim hatten sie sich kennengelernt. Es war beider letztes Jahr. Rosa wollte an diesem Tag an ihrer Diplomarbeit feilen und hatte eigentlich keine Zeit für eine hemmungslose Party. Aber, wie das Leben so spielt, die besten Feten fanden immer spontan statt! Das Heim war schließlich berühmt für seine ausgelassenen Feiern. Also hatte sie einen Abstecher in die Aula unternommen.
    Zwischen dem jungen finnischen Architekturstudenten und der beinahe fertigen Psychologiestudentin vibrierte es an diesem Abend. Die beiden liefen sich im dritten Stock in die Arme, als Rosa aus dem Zimmer von Marias Cousine Getränke­nachschub holen sollte. Mit drei Flaschen billigem Valpolicella im Arm wäre sie von dem blonden Riesen beinahe umgerannt worden.
    »Anteeksi«, entschuldigte sich der junge Blonde und packte Rosa mitsamt ihrer gläsernen Fracht. Von da an verstand Rosa Finnisch.
    Man könnte jetzt einwerfen, dass es abgeschmackt klang, Tatsache war jedoch, dass diese Umarmung beiden gefiel. Denn, das durfte Rosa im Lauf ihres Lebens und anhand der Erzählungen ihrer Klienten lernen: Es war das Leben selbst, das die mit Abstand unglaublichsten Geschichten schrieb!
    Da standen sie also, am Gang eines Hauses, das sie beide sechs Jahre bewohnt hatten, er im ersten, sie im fünften Stock. In der Mitte waren sie zusammengetroffen – und es fühlte sich gut an.
    »So wollte ich immer von einem Mann angefasst werden«, würde sie später ihren Freundinnen erzählen. »So respektvoll und selbstbewusst zugleich.
    Da war nichts Zögerndes, Vorsichtiges, aber auch nichts Drängendes, Vorschnelles. Jetzt weiß ich erst, was ich mir immer gewünscht habe.«
    Wenn Marti anstatt der fünf Schwestern Brüder gehabt hätte, wäre er dann anders geraten? Marti war geprägt durch den ruhigen, selbstbewussten Vater auf der einen und fünf fröhlichen Frauen auf der anderen Seite. Martis Mutter war emanzipiert genug, Wert darauf zu legen, dass aus ihrem einzigen Sohn kein Hahn im Korb oder Softie wurde. Ersteres war ihr allerdings nicht ganz geglückt. Natürlich blieb ein Bub unter fünf Mädchen etwas Besonderes, so Rosas Meinung.
    Ein sonniges Gemüt hatte er entwickelt. Wäre er derselbe, wenn seine Geschwister nicht Ulla, Viivi, Tea, Piia und Suvi heißen würden, sondern Mies, Kerkko, Seppo, Jari und Usko – er also mit Brüdern großgeworden wäre?
    Und was wäre aus Rosa geworden, wäre sie nicht im Windschatten ihrer Schwester gestanden? Hätte sie den Lehrberuf gewählt, wie ihre Eltern und Clara? Sie war keine Schulsprecherin gewesen, hatte nicht mit Auszeichnung maturiert, Rosa lief so mit.
    Und das war nicht das Schlechteste, aus heutiger Sicht.
    Bei Marti war es einfacher, bei Marti war alles einfacher!
    »Das kommt daher, dass du nicht ich bist!«, war Martis trockener Kommentar.

41
    Eine Stunde noch, dann würde sich zeigen, was leichter war: im Leben anderer herumzuwerken – oder selbst etwas zu schaffen.
    » Kunsttherapeutische Praxis Mag. Maria Schilling « stand auf dem Schild neben Marias Wohnungstür.
    Wie oft war sie schon durch diese Tür gegangen, ihre beste Freundin zu besuchen? Das Schild an der Tür sah sie heute zum ersten Mal.
    Maria hatte die Praxis in ihrer Wohnung untergebracht. Ähnlich wie Rosa, allerdings hatte diese mehr Platz. Rosa strich sich durchs Haar und läutete.
    »Fein, dass du da bist.« Maria hatte sie schon erwartet.
    Rosa begrüßte die Freundin und trat ein. »Ich bin schon ganz aufgeregt«, verriet sie. Maria ging vor in ihren Praxisraum, drinnen saßen bereits vier Kursteilnehmer. Rosa reichte allen die Hand: »Guten Tag, ich bin Rosa.« Es war eine bunte Runde. Eine Dame mit aufgetürmtem, pechschwarzem Haar und hellblauen Augenlidern, ein Herr mit grauen, langen Haaren, Pfeife und Nickelbrille, ein Mädchen, das aussah wie eine

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