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Vollstreckung - Sturm, A: Vollstreckung

Vollstreckung - Sturm, A: Vollstreckung

Titel: Vollstreckung - Sturm, A: Vollstreckung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas M. Sturm
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Gesicht leuchtete ein warmes Lächeln auf. »Sarahs Temperament vertrug sich oft nicht mit Adinas nüchterner Art. Oft flogen die Fetzen. Aber die Zwei waren sich nie lange gram. Nach jedem Krach klärte sich die Luft und die Zwei waren wieder ein Herz und eine Seele. Wissen Sie,« Frau Jacob wurde nun wieder ernst, »in der jetzigen Zeit sehen viele Leute ihren Partner nicht mehr als den Menschen, mit dem sie ihr Leben verbringen wollen, sondern eher als einen Lebensabschnittsgefährten. Bei Adina und Sarah dagegen hatte ich immer den Eindruck, dass es sich um eine Verbindung für die Ewigkeit handelt. Die beiden waren immer so lieb und zärtlich zueinander …« An dieser Stelle war Frau Jacob gezwungen, ihre Rede zu unterbrechen, um ein Taschentuch hervor zu holen. Sie wischte ihre Augen trocken und putzte ihre Nase. »Entschuldigen Sie, immer wenn ich an Sarah denke, muss ich heulen. Es war eine schlimme Zeit nach der Vergewaltigung. Sarah litt furchtbar. Sie kam nie über das, was ihr angetan wurde, hinweg. Sie fühlte sich so schmutzig. Immerzu wusch sie sich und hatte schreckliche Angst. Ohne Begleitung traute sie sich kaum noch aus dem Haus …«
    Frau Jacob brauchte eine Pause. Die Erinnerungen führten dazu, dass sie all das Leid noch einmal durchlebte. Sie stand auf und wirtschaftete fahrig in ihrer Küche herum. Steffen ließ ihr die Zeit, die sie benötigte. Als sich Frau Jacob wieder gefasst hatte und am Tisch Platz nahm, setze er die Befragung fort: »Hat Frau Mahler mit Ihnen über die Umstände der Vergewaltigung gesprochen? Ich meine nicht nur kurz danach, sondern auch später.«
    »Nein, niemals. Dieses Thema war für Adina tabu.«
    Die nächste Frage war Steffen sehr unangenehm. Die unrühmliche Rolle, welche die Strafverfolgungsbehörde in Sarah Leforts Fall gespielt hatte, geisterte ständig durch seinen Kopf. »Was war nach Ihrer Ansicht der Auslöser für Sarah Leforts Suizid?«, fragte er, mit einem mulmigen Gefühl im Bauch.
    »Sarah hatte Angst, furchtbare Angst. Und ihr Vertrauen in die Menschheit war zerstört. Dadurch verlor sie ihren Lebenswillen. Ich besuchte Sarah oft, erst im Krankenhaus, später dann daheim. Mein Mann und ich haben beiden Hilfe angeboten. Sarah nahm sie auch dankbar an. Ich war oft bei ihr, aber sie war nie wieder die lebhafte Sarah, die sie vor dem Verbrechen war. Sie verfiel immer mehr, bis sie schließlich keine Kraft mehr zum Leben hatte.«
    Steffen war ungeheuer erleichtert, dass Frau Jacob so taktvoll war und ihm das Versagen der Polizei nicht unter die Nase rieb. So war es ihm möglich, das Gespräch fortzusetzen, ohne dass ein Misston die Unterhaltung belastet hätte. »Wie hat Frau Mahler den Selbstmord von Frau Lefort verkraftet?«, fragte er sie.
    »Meiner Meinung nach gar nicht.« Frau Jacob rührte in ihrer Kaffeetasse, obwohl weder Zucker aufgelöst, noch Sahne vermischt werden musste. Sie brauchte einfach diese eintönige Tätigkeit, um ihrer Trauer Herr zu werden. »Wenn Adina vor dieser Tat nur in sich gekehrt war, so kam sie danach gar nicht mehr aus ihrer selbst gewählten Isolation heraus. Sie nahm keinerlei Hilfe an. Sie ging ihrer Arbeit mit der gewohnten Perfektion nach, aber was sie in ihrer Freizeit tat, davon weiß ich absolut nichts. Zu mir war sie wie immer freundlich und nett, aber sie ließ nicht zu, dass darüber hinaus noch Nähe entstand.«
    »Eine abschließende Frage habe ich noch«, sagte Steffen. »Sie sprachen davon, dass Sie Sarah daheim besucht haben. Welche Wohnung meinten Sie da?«
    Frau Jacob sah Steffen verwundert an. »Ich weiß nur von einer Wohnung. Sie wohnte bei Adina.«
    »Gut, dann will ich Sie nicht länger von Ihrer Schreibarbeit abhalten. Vielen Dank für den Kaffee und die Auskünfte.« Steffen erhob sich und reichte Frau Jacob die Hand.
    »Kommen Sie, ich begleite Sie nach draußen. Ich muss jetzt erst einmal an die frische Luft. Im Garten kann ich vielleicht auf andere Gedanken kommen. Durch das Aufleben dieser Sache kann ich mich bestimmt nicht auf meine Arbeit konzentrieren.« Frau Jacob begleitete Steffen durch den Flur und blieb vor einem Ölgemälde stehen. »Dieses Bild schenkte mir Adina vor wenigen Wochen. In ihrer Freizeit hat sie viel gemalt.«
    Steffen verweilte lange vor dem Bild. Es zeigte eine verfallene Mauernische in einem geschlossenen Raum. Steffen war ein Laie was Kunst anging, doch er fand, dass die Künstlerin es hervorragend verstanden hatte, die düstere Atmosphäre eines nicht mehr

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