Vollstreckung - Sturm, A: Vollstreckung
Schreibkram wieder viel zu lange vor mir hergeschoben und nun ist der Monat fast vorbei und ich bin noch nicht fertig. Darf ich Ihnen eine Tasse Kaffee anbieten?«
Steffen nickte und betrachtete Frau Jacob bei ihrer Tätigkeit. Sie war eine zierliche, lebhafte Frau und schien etwa im gleichen Alter wie Adina Mahler zu sein. Frau Jacob startete die Kaffeemaschine, kam zum Tisch, stellte sich hinter einen Stuhl und umfasste mit ihren Händen die Stuhllehne. Sie sah Steffen beunruhigt an und fragte: »Hat Adina sich etwas angetan?«
»Das will ich nicht hoffen. Wieso fragen Sie gleich als Erstes nach Frau Mahler? Auch Ihr Gatte hat sie gleich erwähnt.«
»Wir sorgen uns sehr um Adina. Sie meldete sich vor einigen Tagen krank, kam dann zwei Tage später in die Apotheke und kündigte.« Als der Kaffee fertig war, wandte sich Frau Jacob hektisch vom Tisch ab, holte den Kaffee und nahm gegenüber von Steffen Platz. »Adina verhielt sich bei dieser letzten Begegnung anders als sonst, sie wirkte irgendwie … ich weiß nicht so recht, wie ich es beschreiben soll, irgendwie kalt. Aber nicht mir gegenüber, da war sie so nett wie immer. Diese Kälte war eher in ihr Inneres gerichtet. Deshalb habe ich Angst, dass sie sich etwas antun könnte. Ich habe mehrmals bei ihr angerufen, aber sie geht weder an ihr Handy, noch an das Telefon in ihrer Wohnung. Ich wollte noch bis Morgen warten, dann hätte ich die Polizei verständigt. Wissen Sie etwas über sie?«
»Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wo sich Frau Mahler im Augenblick aufhält. Ich hatte da auf Sie gehofft.«
Frau Jacob schaute Steffen prüfend an. »Wenn Sie nicht wegen eines Suizids gekommen sind und auch nichts über Adinas gegenwärtigen Verbleib wissen, weshalb sind Sie dann eigentlich hier?«
»Wie ich schon sagte, ich wollte Sie zu dem Aufenthaltsort von Frau Mahler befragen und zusätzlich möchte ich Sie bitten, mir von Frau Mahler zu erzählen, damit ich mir ein Bild von ihrer Persönlichkeit machen kann.« Dann lächelte Steffen leise und machte eine vage Geste mit seiner Hand. »Und um Ihrer nächsten Frage zuvorzukommen, ich erkundige mich nach Frau Mahler, weil sie eventuell eine Zeugin in einem Mordfall ist. Ich würde ja gern persönlich mit ihr sprechen, aber leider ist sie nicht zu erreichen.«
»Adina ist in einen Mordfall verwickelt?«, fragte Frau Jacob fassungslos.
»Das habe ich nicht gesagt. Sie kann vielleicht Auskünfte geben. Mehr wissen wir noch nicht. Aber zurück zu meinem Anliegen. Ist Ihnen ein Ort bekannt, an dem sich Frau Mahler aufhalten könnte, wenn sie nicht in ihrer Wohnung ist?«
Frau Jacob runzelte die Stirn und zupfte fahrig an ihren Haaren. »Nein. Ich war heute bis 12 Uhr in der Apotheke, da ist sie nicht aufgetaucht und ich wüsste keinen Platz, außer ihrer Wohnung, wo sie sich sonst längere Zeit aufhält.«
Steffen nickte resigniert. Er hatte nichts anderes erwartet. Adina Mahler blieb ihrer Rolle als Phantom treu. Einen Schlupfwinkel hat sie auf jeden Fall, dachte er, aber so geheimnisvoll, wie diese Dame ist, kennt den nur der Herr aller Dämonen. Dann riss er sich von diesem Gedankengang los, lehnte sich zurück, trank einen Schluck Kaffee, sah auffordernd zu Frau Jacob und sagte: »Da ich Frau Mahler nicht kenne, bitte ich Sie, mir von ihr zu erzählen, damit ich sie besser einordnen kann.«
»Ich hoffe, dass ich Ihnen weiterhelfen kann. Viel ist es nämlich nicht, was ich über Adina weiß.« Frau Jacob lächelte jetzt. »Mein nächster Satz muss Ihnen nach dem eben gesagten komisch vorkommen. Aber es ist so: Adina ist meine beste Freundin. Trotzdem kenne ich sie eigentlich nicht. Sie hat nie viel von sich erzählt. Adina als introvertiert zu bezeichnen käme der Aussage gleich, dass der Papst eventuell an Gott glaubt.«
Frau Jacobs Lächeln vertiefte sich, es war nach innen gerichtet und ein warmer Schein trat in ihre Augen, während sie von ihrer Freundin erzählte. Steffen spürte, dass Frau Jacob Adina sehr mochte. Um über das Verhältnis der beiden Frauen im Klaren zu sein, stellte er seine nächste Frage: »Da Sie Frau Mahler als Ihre beste Freundin bezeichnen, nehme ich an, dass Sie über deren sexuelle Ausrichtung Bescheid wissen?«
Frau Jacob lachte kurz auf. »Falls Sie damit taktvoll fragen wollen, ob ich je mit Adina geschlafen habe - nein, das habe ich nicht. Ich stehe ausschließlich auf Männer. Aber dass Adina lesbisch ist, weiß ich seit dem ersten Tag unserer Bekanntschaft.«
Frau Jacob
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