Vollstreckung - Sturm, A: Vollstreckung
erkunden. Sarahs Drogendelikt liegt schon längere Zeit zurück. Sie studierte damals noch. Ich habe die alten Akten hervorgesucht und festgestellt, dass Sarah nicht die Einzige war, die bei einer Razzia festgenommen wurde. Eine dieser Personen, eine Frau Rosen, lebt noch in Dresden. Ich habe sie bereits angerufen. Wir können morgen am späten Nachmittag bei ihr vorbeikommen. Den Schulleiter von Sarahs ehemaliger Wirkungsstätte konnte ich nicht erreichen, er ist über das Wochenende verreist. Ihn und die französische Gendarmerie in Rochefort versuche ich am Montag zu kontaktieren.«
Karin war mit Sandras Vorgehen einverstanden. Sie kam aber immer noch nicht über die Machenschaften des kriminellen Beamten hinweg. »Also, wenn ich etwas ausgefressen hätte, was meine Existenz bedrohen würde, wäre ich durchaus bereit so einiges zu tun, um davonzukommen. Es fällt mir allerdings schwer, mir vorzustellen, dass ein Mensch so gewissenlos ist, dass er so weit geht und das Leben eines Mitmenschen dabei völlig ruiniert. Davon abgesehen schleiche ich nachts auch nicht durch die Straßen und vergewaltige Frauen.«
Als Karin den letzten Satz formuliert hatte, fiel ihr Blick auf Sandras Gesicht und sie sah, wie es darin arbeitete. Welche Tür habe ich jetzt aufgestoßen, stöhnte sie innerlich.
Sandra tat unschuldig. »Wenn ich es mir recht überlege, ist die Vorstellung, dass du nachts durch die Straßen schleichst, nicht so abwegig. Etwas Werwolfartiges hast du schon an dir …«
Sandra konnte gerade noch im letzten Moment die Arme hochreißen, um das Kissen, welches Karin nach ihr schleuderte, aufzufangen.
11. Kapitel
Karin und Sandra mussten fast eine Stunde im Wartezimmer sitzen, bis sie zu dem Arzt, der Sarah vor drei Jahren behandelt hatte, vorgelassen wurden. Dr. Lajos Nagy wurde seinem ungarischen Namen gerecht. Er empfing die beiden Beamtinnen mit typisch ungarischem Charme: »Jetzt habe ich Zeit für die Damen. Sie müssen verzeihen, aber die Patienten gehen vor.«
Sandra winkte ab, nachdem sie mit Karin im Sprechzimmer des Doktors Platz genommen hatte. »Wir haben gestern telefoniert. Es geht um Auskünfte über den Zustand von Sarah Lefort. Es ist zwar schon drei Jahre her, aber vielleicht können Sie mithilfe der Krankenakte den Befund von Sarah Lefort für uns zusammenfassen.«
Dr. Nagy, ein Mann Anfang sechzig, lächelte, und ließ dabei einen Goldzahn im Oberkiefer blitzen. »Ich muss sagen, dass ich etwas verwundert bin. Vor drei Jahren hat die Polizei kein Interesse an meiner Diagnose betreffs Frau Leforts gezeigt. Ist es nicht ein wenig spät für Ermittlungen? Damals hatte ich fast den Eindruck, als würden solche Vergehen nicht mehr geahndet.«
Dr. Nagy kaschierte seinen Tadel mit einem fast herzlichen Tonfall, aber er traf die beiden Frauen tief.
»Es sind neue Gesichtspunkte aufgetaucht und wir sind dadurch gezwungen, erneut zu ermitteln.« Karin wusste, wie leer ihre Worte klangen, aber was sollte sie dem Arzt sagen. Sie konnte ihm schlecht reinen Wein über die Ereignisse von damals einschenken. Sandra, die bemerkte, wie unangenehm diese Situation für Karin war, ergriff wieder das Wort: »Wir möchten Sie nicht von ihrer Arbeit abhalten, wenn Sie uns einfach sagen würden, in welcher Verfassung Sarah Lefort bei der Einlieferung war.«
»In einer sehr schlechten Verfassung. Aber zu meinem Bedauern darf ich leider nicht ins Detail gehen. Sie verstehen, die Schweigepflicht des Arztes.« Dr. Nagy unterstrich seine Worte mit einer bedauernden Miene und strich über seinen gepflegten Schnurrbart.
Karin fand, dass er mit seiner charmanten Ausdrucksweise und dem leichten Akzent sehr gut an den Hof der Habsburger gepasst hätte. Aber ihr war ganz und gar nicht danach, mit dem Arzt Floskeln auszutauschen. »Eine richterliche Verfügung benötigen wir in diesem Fall nicht, da Frau Lefort nicht mehr lebt.« Karin war wieder einmal sehr direkt. Ihr tat es aber auf der Stelle leid, als sie sah, wie bestürzt Dr. Nagy über das eben Gehörte war.
»Es ist furchtbar für mich, dies zu erfahren, ich hatte Frau Lefort in mein Herz geschlossen.« Der Arzt war sichtlich bewegt, er holte tief Luft, bevor er weitersprach. »Frau Lefort tat mir damals so leid. Sie hat so viel durchgemacht. Ich hatte gehofft, sie erholt sich von den schrecklichen Geschehnissen. Bitte, woran ist sie gestorben?«
Sandra, die zum zweiten Mal diese Reaktion auf Sarahs Tod erlebte, bekam eine Ahnung, dass die Vorfälle, die sich
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