Vollstreckung - Sturm, A: Vollstreckung
Stuhl gemütlich, gähnte herzhaft, streckte seine langen Beine mit einem Seufzer aus und schaute verlangend auf Sandras Teetasse. Diese bemerkte seinen stummen Wink und stellte lächelnd Tee und Spekulatius vor ihn hin.
»Bitte greif zu. Ich spendiere gern Karins Kekse.«
»Danke. Du ahnst nicht, was ich heute erfahren habe.« Mit diesen Worten begann Jan seinen Bericht über die Ermittlungen bei Sarah Leforts ehemaliger Nachbarschaft. Er schloss mit den Worten: »Mein erster Gedanke war, dass Steffen vielleicht der betreffende Beamte gewesen sein könnte, aber als ich ihn anrief, zerschlug sich diese Vermutung. Steffen hat seit Freitagabend in Schlotts Wohnort Klinken geputzt.«
»Meine Nase sagt mir, dass der Beamte, der bei den Nachbarn herumschnüffelt, derselbe ist, der den Bericht über Sarah Leforts Vergewaltigung gefälscht hat und der ihr Vorleben in seinem Sinn zurechtgebogen hat.« Sandra sonnte sich in Jans erstauntem Blick und setzte noch einen drauf: »Und von Polizeiobermeister Unger habe ich erfahren, dass drei Männer an der Vergewaltigung von Sarah Lefort beteiligt gewesen sein sollen.«
Anschließend berichtete Sandra nun ihrerseits, dem auf einmal wieder sehr munteren Jan von den Ergebnissen ihrer Recherchen und den Vorkommnissen in der Dienststelle, wo Sarah Lefort ihre Anzeige erstattet hatte.
Auch nach wiederholtem Klingeln blieb die Sprechanlage an Karins Haustür stumm. Sandra trat zurück auf die Straße und spähte nach oben. In Karins Wohnung, im vierten Stock, brannte Licht. Vielleicht ahnt sie, dass ich es bin, und öffnet deshalb nicht. Bei diesem Gedanken wurde Sandra traurig. Aber so ist Karin nicht, scheuchte sie diesen Einfall rasch zur Seite. Wenn sie nicht wollte, dass ich hier erscheine, hätte sie es mir ohne Rücksicht auf Verluste gesagt. Sie griff zum Handy und rief Karins Festnetznummer an. Karin nahm nicht ab. Sandra ging zurück zu ihrem Auto, setzte sich hinter das Steuer und wollte schon starten, aber einen letzten Versuch unternahm sie noch. Sie wählte Karins Handynummer. Sie ließ es lange klingeln und wollte gerade aufgeben, da ging Karin ran.
»Wo steckst du denn?«, fragte Sandra gleich.
»Na wo wohl? Zu Hause«, kam die Antwort.
»Und warum öffnest du mir nicht die Tür?«
»Oh, entschuldige. Ich mache auf.«
»Warte«, rief Sandra noch, aber Karin hatte bereits aufgelegt. Sandra eilte zur Haustür und klingelte erneut. Diesmal ertönte der Summer.
Sie schnaufte, als sie die für sie ungewohnt vielen Stufen erklommen hatte. Doch Karin machte keine Bemerkung darüber, sondern sah sie schuldbewusst an.
»Was war denn los? Du gehst nicht an dein Telefon und reagierst nicht auf die Türklingel?«
»Ich habe die Wohnung geputzt und dabei hatte ich die Kopfhörer auf und hörte laut Musik.« Sandra bemerkte, dass Karins Haare verschwitzt an der Stirn klebten. »Ist putzen so anstrengend für dich? Du siehst richtig geschafft aus.«
Karin wand sich verlegen. »Ich habe dabei zur Musik getanzt und Luftgitarre gespielt«, brachte sie nach einigem Zögern hervor.
»Na du bist mir vielleicht eine Tanzmaus.« Sandra amüsierte sich köstlich über Karins Verlegenheit. »Wieso hast du aber dein Handy gehört? Es war mein letzter Versuch, dich zu erreichen.«
»Das Handy leuchtet, wenn jemand anruft.«
Sandra lachte auf. »Da habe ich ja noch einmal Glück gehabt, dass du nicht auch noch mit verbundenen Augen geputzt und getanzt hast.«
Karin streckte Sandra die Zunge heraus, dann wechselte sie schnell das Thema.
»Ich husche jetzt schnell unter die Dusche, dann können wir reden.«
Sandra hörte das Wasser rauschen, während sie die mitgebrachte Pizza auf Teller verteilte und den Tisch deckte.
»Oh, das riecht aber fein.« Karin schnüffelte freudig, als sie nach kurzer Zeit aus dem Badezimmer kam. »Ich spendiere den Wein zum Essen«, sagte sie und entkorkte bereits eine Flasche
Beaujolais
.
»Spendiert hast du heute schon so einiges«, meinte Sandra und schaute Karin schuldbewusst an.
»Aha, du warst also wieder an der Spekulatiusdose. Ich glaube, wir müssen, wenn es wieder welche zu kaufen gibt, eine wesentlich größere Menge einlagern.«
Während des Essens kam Karin auf den Fall zu sprechen und fasste für Sandra die wichtigsten Punkte des Persönlichkeitsprofils zusammen.
»Wenn der Doktor Recht behält, dann jagen wir die netteste Mörderin in der Geschichte der Kriminalistik.« Mit diesen ironischen Worten beendete Karin ihre
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