Vollstreckung - Sturm, A: Vollstreckung
herum.
»Ist die Torte nicht in Ordnung?«, fragte Karin, die Sandras Tun erstaunt registriert hatte.
»Der Kuchen schmeckt köstlich. Ich suche nur den Haken.«
»Welchen Haken?«
»Keiner von uns beiden hat heute Geburtstag und es gibt auch sonst keinen Anlass etwas zu feiern. Und nur weil ich heute Nacht mit dir auf die Pirsch gehe, spendierst du doch keinen Kuchen.«
Karin fühlte sich durchschaut, und ihr war plötzlich sehr unwohl zumute. Kleinlaut wand sie noch ein: »Es muss doch nicht immer ein Grund vorliegen, um …«
»Haupt!«, unterbrach Sandra sie, nachdem ihr plötzlich klar geworden war, wo Karins Beweggründe verborgen waren. Und nach einem Blick in Karins ertappten Gesichtsausdruck lachte sie laut los. »Du hast Schiss, dass unser Chef dir wegen deines Alleinganges den Scheitel nachzieht?«
Karin holte tief Luft, sah Sandra offen an und sagte: »Ich wollte in meinen Bericht schreiben, dass wir beide gestern Nacht zusammen waren. Geht das in Ordnung?«
Sandra nickte. »Aber in Zukunft informierst du mich bitte vorher und dann bin ich wirklich dabei.« Und nach einer kurzen Pause legte Sandra ihre Hand auf Karins und fügte nachdenklich hinzu: »Du manövrierst dich bestimmt noch einmal in eine hässliche Situation, mit deinen Himmelfahrtkommandos. Ich glaube, ich muss mehr auf dich aufpassen.«
»Du hast ja recht«, gab Karin zu. »Als mir gestern Abend der Einfall kam, wollte ich dich auch anrufen, aber dann kam ich mir blöd vor. Es war nur eine vage Vermutung und Pfeffer hätte auch die ganze Nacht Schäfchen zählen können.«
»Ist schon okay. Aber vergiss nicht, mir deinen Bericht zum Lesen zu geben. Ich will schließlich wissen, was ich gestern Nacht getrieben habe.«
21:45 Uhr steuerte Sandra ihren blauen Seat mit Karin auf dem Beifahrersitz in eine Parklücke vor Pfeffers Wohnhaus. Nun nahm sich Sandra die Zeit, Karin zu mustern. Ihr war schon als Karin einstieg deren extravagante Kleidung aufgefallen. Karin trug einen eleganten Abendanzug mit modischer, dazu passender Handtasche. Nur die derben Laufschuhe störten dieses Ensemble.
»Erwartest du, dass Pfeffer heute in der Oper auf Autoklau geht?«
»Gestern habe ich mich als Teenager getarnt. Ich vermute, Pfeffer wird misstrauisch, wenn ihm jede Nacht dieselbe Gestalt begegnet. Heute spiele ich eine Frau, die von einem Konzert nach Hause kommt.«
Sandra konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Gehen feine Damen mit Sportschuhen in ein Konzert?«
Karin hielt Sandra daraufhin einen Kunststoffbeutel, in dem sich deutlich die Konturen von hochhackigen Schuhen abzeichneten, unter die Nase. »Ich trage diesen Beutel so, dass Pfeffer ihn bemerken muss. Viele Frauen wechseln ihre Schuhe vor dem Betreten eines Konzerthauses. Dieser Umstand müsste sogar Pfeffer bekannt sein. Schließlich war er mit Sarah liiert. Und ich muss sicher wieder schnell rennen und das funktioniert in High Heels nicht so gut.«
Sandra pfiff anerkennend. »Du denkst auch an alles. Steht Jan eigentlich noch da?«
Karin sah auf ihre Uhr. »Es ist zehn Minuten vor 22 Uhr. Wenn irgendetwas sicher ist, dann, dass Jan seinen Posten auf gar keinen Fall vor der angegebenen Zeit verlässt.« Sie reckte ihren Hals und spähte durch die Frontscheibe. »Siehst du, er steht vier Fahrzeuge vor uns.«
Eine viertel Stunde später verließ Jan Klingenberg seinen Posten.
»Was wollen wir jetzt während der Wartezeit machen?«, fragte Sandra.
»Den Hauseingang beobachten und schweigen«, antwortete Karin knapp. Danach lehnte sie sich in ihrem Sitz zurück und versuchte, es sich so gemütlich wie möglich zu machen. Das Schweigen, welches sich daraufhin im Auto ausbreitete, hielt exakt eine Minute und fünfzehn Sekunden, dann meldete sich Sandra: »Wir könnten aber auch quatschen.«
»Worüber denn?«, fragte Karin gedehnt.
»Du könntest mir zum Beispiel erzählen, wie du zur Polizei gekommen bist.«
»Ich werde mich schwer hüten«, brummte Karin.
Nach dieser kategorischen Abfuhr zog Schweigen ein. Allerdings wiederum nicht lange. »Wenn du so vehement ablehnst, muss doch etwas dahinterstecken«, bohrte Sandra.
Karin stöhnte gequält. »Du gibst wohl keine Ruhe bis deine Neugier gestillt ist?«
Sandra schüttelte den Kopf.
»Also gut. Aber wenn du eine spektakuläre Enthüllung erwartest, muss ich dich enttäuschen. Die Geschichte ist banal.« Karin schwieg einen Moment und schien in sich hinein zu lauschen. »In der neunten Klasse musste ich mich entscheiden,
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