Vollstreckung - Sturm, A: Vollstreckung
als wäre sie verabredet. Ein Kellner trat auf sie zu und wollte sie zu einem Platz geleiten. Karin lächelte freundlich und meinte, sie wäre verabredet, käme aber viel zu früh und wolle nur nachsehen, ob ihr Bekannter schon anwesend sei. Diese Ausrede verfehlte ihre Wirkung nicht. Der Kellner zog sich zurück. Karin suchte die einzelnen Räume auf und spähte vorsichtig hinein. Pfeffer war nirgends zu sehen. Als ihre Suche auch im letzten Raum ohne Ergebnis blieb, fragte sie sich, ob Pfeffer durch die Hintertür entwichen war. Karin wollte gerade einen Kellner ansprechen und sich ihm zu erkennen geben, da trat Pfeffer ganz gemütlich aus der Toilette, schlenderte an Karin vorbei und nahm an einem Tisch Platz. Karin wandte sich sofort ab. Sie wechselte den Raum und schaute von dort vorsichtig zu Pfeffer hin. Der saß allein an seinem Tisch und studierte die Speisekarte. Karin verließ umgehend das Lokal. Vor der Tür machte sie als Erstes ihren Schuhwechsel rückgängig und versuchte dann, ihr aufgeregt pochendes Herz zu beruhigen. Als Pfeffer in dem Restaurant in unmittelbarer Nähe an ihr vorbei gegangen war, wäre ihr vor Schreck beinah die Handtasche aus der Hand gefallen. Inständig hoffte Karin, dass ihre ungewöhnliche Aufmachung als Tarnung genügt hatte, um Pfeffer zu täuschen. Aber sie war sich im Grunde sicher, dass sie Pfeffer nicht aufgefallen war. Sie schätzte Pfeffer so ein, dass dieser eine dumme Bemerkung fallen gelassen oder wenigstens gegrinst hätte. Sie rief Sandra an und erzählte dieser haarklein, was vorgefallen war.
Die Wartezeit vor der Gaststätte zog sich hin. Karin war im Dunkel eines Winkels neben einem Trafohäuschen verschwunden und beobachtete von dort das Lokal. Der Winter war zwar vorbei, aber die Frühlingsnächte waren noch empfindlich kühl. Da Karin stillstehen musste, begann sie zu frieren. Wehmütig sehnte sie sich nach ihrer Lederjacke und versuchte, die Wärme in ihrem Körper festzuhalten, indem sie ihren Blazer fest um sich zog. Wenn Pfeffer nicht bald aufisst, kann ich ihm nicht mehr folgen, weil ich hier steif gefroren bin, dachte Karin wütend.
Nach neunzig Minuten trat Pfeffer aus dem Lokal und bummelte fröhlich pfeifend in Richtung seines Autos. Karin spurtete los. Sie schlug einen anderen Weg ein und saß bereits bei Sandra im Auto, als Pfeffer seinen Peugeot aufschloss.
»Es ist gut für die Gesundheit langsam zu kauen, aber man kann es auch übertreiben«, schimpfte Karin als Pfeffer losfuhr. »Ich habe mir fast den Arsch abgefroren.«
Der Verkehr war merklich abgeflaut, deshalb musste Sandra einen entsprechend großen Abstand zu Pfeffers Fahrzeug einhalten. Pfeffer fuhr nur ein kurzes Stück. Im Stadtteil Leubnitz stellte er in Sichtweite von Plattenbauten seinen Peugeot ab.
»Hier ist bestimmt der Ausgangspunkt für seine Diebestour«, mutmaßte Karin. »Dort hinten ist eine Bushaltestelle. Ich folge ihm zu Fuß und du fährst uns hinterher. Ich weise dich über das Handy an.« Mit diesen Worten verließ sie Sandras Seat und lief Pfeffer, den sie beinah aus den Augen verlor, nach. Karin musste sich sputen. Als sie um die Ecke bog, sah sie, dass Pfeffer ihr schon ein ganzes Stück voraus war. Wie schon in der vergangenen Nacht legte Pfeffer eine beträchtliche Strecke zurück. Karin gab Sandra ständig Anweisungen, sodass diese sich immer nur eine Straße hinter ihnen bewegte. Sie selbst wahrte die größtmögliche Distanz zu dem Verfolgten, um nicht zu nahe aufzuschließen, wenn er das Auto seiner Begierde erreichen würde.
Die Plattenbauten hatten sie lange hinter sich gelassen. Eigentumswohnungen prägten nun den Charakter der Örtlichkeit. Der neue Tag war schon fast eine Stunde alt, als Pfeffer zwischen zwei Reihenhäusern verschwand. Karin konnte dies aus der Entfernung noch schwach erkennen. Da sie annahm, dass Pfeffer an dieser Stelle zuschlagen würde, gab sie Sandra sofort Anweisung, ohne Licht vorzufahren. Vorsichtig näherte sich Karin der kleinen Einfahrt, in die Pfeffer gelaufen war.
Als sie ankam, konnte sie sich gerade noch ducken, als ein großer Jeep wie eine dunkle Bedrohung aus der Einfahrt geschossen kam. Karin hielt sich nicht lange in der Betrachtung des Autos auf. Sie lotste Sandra heran und Sekunden später saß sie wieder im Seat. Da Sandra den auffälligen Geländewagen ebenfalls bemerkt hatte, stellte es für sie kein Problem dar, die Verfolgung fortzusetzen.
»Pfeffer hat einen Hummer gestohlen«, verkündete Sandra.
Weitere Kostenlose Bücher