Vollstreckung - Sturm, A: Vollstreckung
welchen Beruf ich ausüben will. Also erstellte ich eine Liste und schrieb alle Berufe auf, die ich kannte.«
»Du warst also schon damals sehr systematisch in deinem Handeln«, stellte Sandra amüsiert fest.
»Unterbrich mich nicht! Jedenfalls half mir die Liste nur insofern weiter, dass ich feststellen musste, dass alle Berufe auf dieser Liste mich nicht glücklich machen würden. So stand ich also da und wusste nicht weiter.«
»Konnten dir deine Eltern nicht helfen?« Sandra fühlte mit der jungen Karin mit.
»Nein.«
Dieses ›Nein‹ sprach Karin so emotionslos und endgültig aus, dass Sandra beschloss, dieses Thema zu vertagen.
»Da ich überzeugt bin, dass es Zufälle nicht gibt«, fuhr Karin fort, »nenne ich es Schicksal, obwohl das etwas hochgestochen klingt. Von einem Mitschüler, der ständig in Geldnot war, kaufte ich einen
Jerry Cotton
Roman. Ich war schon immer eine Leseratte und nun bekam ich Lesestoff aus dem Westen. Ich weiß noch, wie glücklich ich über diesen Kauf war. Ich habe diesen Groschenroman verschlungen. In der Geschichte spielte auch eine Frau mit. Sie war FBI-Agentin, schön und clever. Ich war völlig hingerissen. So wollte ich auch sein! Und so kam es, wie es kommen musste. Das ist die ganze Geschichte, mehr kann ich leider nicht bieten.«
Sandra ahnte, dass in dieser Geschichte nur ein Teil des wahren Beweggrundes umrissen wurde, aber da Karin offensichtlich noch nicht bereit war, sich ihr zu öffnen, beließ sie es vorerst dabei.
Karin, die Pfeffers Hauseingang keine Sekunde aus ihren Augen verlor, lächelte leicht und knuffte Sandra an. »So, jetzt bin ich ganz Ohr.«
Sandra stellte sich dumm. »Was willst du denn hören?«
»Ja, denkst du denn, ich breite meinen Lebenslauf vor dir aus und du kommst ungeschoren davon?« Kaum war Karins letztes Wort gesprochen, öffnete sich die Eingangstür von Pfeffers Wohnhaus und dieser kam heraus. Sandra wollte sogleich den Motor starten, aber Karin legte mahnend ihre Hand auf Sandras Arm. »Warte noch,« flüsterte sie. Als Pfeffer in seinem Peugeot von der Wohngebietsstraße abbog, nahm Karin ihre Hand von Sandras Arm und sagte: »Los!«
Sandra steuerte ihr Auto aus der Parkbucht und folgte Pfeffer. Diesmal führte die Fahrt in den Süden der Stadt.
Pfeffer war wesentlich früher als in der vorigen Nacht aufgebrochen. Karins Armbanduhr zeigte gerade 22:30 Uhr.
»Hoffentlich klaut Pfeffer heute Nacht. Es ist eigentlich noch etwas zu früh, um ungestört ein Fahrzeug zu knacken.« Karins Sorge war nicht unberechtigt. Um diese Uhrzeit waren die Wohngebiete noch deutlich belebter und bei dem schönen Wetter war es zu erwarten, dass mehrere Leute einen Abendspaziergang unternehmen würden. Auch auf den Straßen herrschte noch lebhafter Verkehr. Aber dadurch hatte es Sandra leichter. Sie ließ immer zwei Fahrzeuge zwischen sich und Pfeffers Peugeot. Im Ortsteil Strehlen parkte Pfeffer sein Auto. Sandra stellte ihren Seat einige Meter entfernt ab.
Als Pfeffer zu Fuß weiter lief, folgte ihm Karin. Sandra wartete wie abgesprochen im Wagen. Pfeffer legte zügig eine kurze Wegstrecke zurück und betrat ein Restaurant. Karin blieb davor stehen und überlegte angestrengt. Sie musste unbedingt erfahren, ob Pfeffer einfach nur essen wollte, oder ob er sich mit jemandem traf. Die Autodiebstähle waren nur ein Teil des Problems. Es bestand immer noch die Möglichkeit, dass Pfeffer zusätzlich in die Sarah Lefort-Geschichte involviert war. Karin lief nervös auf und ab. Sie war gezwungen, die Gaststätte zu betreten. Aber wenn Pfeffer sie dabei bemerkte, verspielte sie ihre Chance, ihn bei einem Fahrzeugdiebstahl auf frischer Tat zu ertappen. Erst einmal rief sie Sandra an und informierte diese von den aktuellen Entwicklungen. Sandra wusste auch keinen Rat. Karin setzte alles auf eine Karte. Die Mordermittlungen gingen vor, und wenn sie die Beschattung jetzt verpatzte, konnte sie die Diebstähle immer noch an die Abteilung für Organisierte Kriminalität weiterleiten. Um ihrer Rolle als eleganter Dame gerecht zu werden, wechselte sie ihre Schuhe. Die Laufschuhe verbarg sie in einer Ecke neben der Eingangstür. Ihre Haare hatte sie an diesem Abend passend zu ihrer übrigen Erscheinung hochgesteckt. Im Büro trug sie entweder einen Pferdeschwanz oder ließ sie einfach offen. Karin hoffte inständig, dass die Frisur ihr Äußeres so veränderte, dass Pfeffer sie nicht auf den ersten Blick erkannte. Sie betrat das Restaurant und schaute sich um,
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