Vollstreckung - Sturm, A: Vollstreckung
feinem Staub lag. Bei jedem Schritt wirbelten ihre Schuhe kleine Wölkchen auf. Durch diesen Staub hatte sich ein hartnäckiger Hustenreiz in ihrer Kehle festgesetzt. Ihre Augen brannten, teils ebenfalls vom Staub, aber auch vor Anstrengung. Seit zwei Tagen starrte sie durch ein Fernglas und beobachtete die Fenster ihrer ehemaligen Wohnung. Dabei fror sie oft. Die Scheiben im Fensterrahmen waren durch Holzlatten ersetzt worden, durch die Spalten zog der kühle Wind herein. Immer, wenn sie ihren müden Augen ein wenig Ruhe verschaffen wollte, lenkte sie den Blick ein Stück zur Seite. Eine Spinne hatte, genau in einem Lichtkanal, der durch eine Holzritze gebildet wurde, ihr Netz gewoben. Sie sah dem Tier gern zu. Es bedeutete die einzige Abwechslung für sie. Und wenn sie an die Spinne dachte, stellte sie fest, dass sie mit diesem Tier viel gemeinsam hatte. Ihr Plan sah vor, die Zusammenkunft mit ihrem Feind an einem Ort stattfinden zu lassen, den sie selbst gewählt hatte. Aus diesem Grund hatte sie einen Hinterhalt gelegt und musste nun, genau wie die Spinne, geduldig warten
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Um an diesem Ort bestehen zu können, hatte sie Lebensmittel und Wasser sowie eine Matte, ein Kissen und eine Decke zum Schlafen mitgebracht. In einem tiefer gelegenen Stockwerk hatte sie einen intakten Stuhl gefunden. Auf dieser Sitzgelegenheit hockte sie den ganzen Tag und schaute hinüber zu den Fenstern ihrer alten Wohnung
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Sie rechnete damit, dass ihr Gegner am Tag kommen würde. Nachts fiel es auf, wenn eine Wohnung aufgebrochen und durchsucht wird
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Da sie während des Tageslichts ihren Posten nicht verlassen konnte, versuchte sie sich nach Anbruch der Dunkelheit ein wenig Bewegung zu verschaffen. Von dem ständigen Sitzen waren ihre Muskeln völlig verspannt. Sie bewegte sich nur in den anderen Räumen, um nicht unnötig Staub aufzuwirbeln. Dabei war sie sehr vorsichtig, da der Fußboden an vielen Stellen defekt war und sie Gefahr lief, einzubrechen
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Nachts versuchte sie trotz der Geräusche, die dieses alte Haus ausatmete, zu schlafen. Wenn der Wind, der durch die Spalten pfiff, unter die Tapeten fuhr, erzeugte er ein Rascheln, welches an das Wispern verfluchter Seelen erinnerte
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Vor zwei Tagen hatte sie Abschied genommen. Lebewohl gesagt zu dem Heim, im dem Sarah und sie glücklich gewesen waren. Noch ein letztes Mal hatte sie liebkosend mit der Hand über die Seite des Bettes, in der Sarah geruht hatte, gestrichen. Seit drei Jahren bezog sie diese Seite des Bettes immer mit, wenn sie die Wäsche wechselte. Sie wusste, dass nie wieder jemand dort liegen würde, trotzdem tat sie es. Ihre Pflanzen hatte sie der Nachbarin gegeben, nur die Übertöpfe hatte sie stehen gelassen. Damit wollte sie ein Zeichen für ihn setzen, und ihm sagen, dass die Wohnung für immer verlassen war. Sie hoffte, dass ihr die Polizei bald auf die Spur käme. Er würde es sofort erfahren und sich als Erster zu ihrem Heim Zutritt verschaffen. Bis dahin musste sie ausharren
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Zu den wenigen Dingen, die sie aus ihrer Wohnung mitgenommen hatte, zählten eine Digitalkamera, mit der sie ihn fotografieren würde, sobald er auftaucht, ihre Klappleiter und ein Foto. Das Bild zeigte sie mit Sarah. Es war eine Aufnahme aus glücklichen Tagen. Sarah hatte den Arm um sie gelegt und lachte gemeinsam mit ihr fröhlich in das Objektiv
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Immer wenn sie in ihrem Entschluss, Vergeltung zu üben, wankelmütig wurde, sah sie sich das Foto an
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Er hatte dieses Glück zerstört!
Er und die beiden anderen!
Sie waren ihm vorausgegangen. Sie würde nun dafür sorgen, dass er ihnen bald folgen würde
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Kriminalrat Haupt merkte an den müden Bewegungen und an den angespannt krächzenden Stimmen seiner beiden Kommissarinnen, dass diese restlos ausgelaugt waren. Zu der durchgearbeiteten Nacht kamen die fortgesetzten Verhöre, in denen Karin und Sandra versuchten, Pfeffer seine Geheimnisse zu entlocken. Nun saßen beide hohläugig an Haupts Schreibtisch und gaben ihren Bericht über die Ereignisse der letzten Tage ab.
Karin fasste soeben das Ergebnis von Pfeffers Vernehmung zusammen: »Pfeffer redet, im Gegensatz zu dem ersten Verhör vor ein paar Tagen, wie ein Wasserfall.«
Karin versuchte ein dankbares Lächeln zustande zu bringen, als Haupt je eine Tasse Tee vor ihr und Sandra abstellte. »Leider haben wir keine neuen Erkenntnisse über unsere Mordfälle gewonnen. Sarah Lefort, soviel gab Pfeffer zu, war hinter seine Autodiebstähle gekommen und forderte Pfeffer auf,
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