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Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition)

Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition)

Titel: Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liv Winterberg
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handelt? Ihr habt vergrabene Kleidung und Haare gefunden.«
    William ließ sich nicht beirren. »Die gesamte verbliebene Reisegarderobe von Mr.   Linley blieb bei der Haushaltsauflösung unauffindbar, auch der alte Seesack war nicht mehr an seinem Platz. Es gab keine Einbruchspuren, und es fehlten nur die Reiseutensilien. Ich habe alles genauestens überprüft.«
    Landon schwieg.
Was ist, wenn er recht hat? Dann ist das besser als nichts, dann wissen wir, dass sie lebt.
    »Aber warum ist ihr Kleid zerschnitten?«
    Der alte Mann zuckte die Schultern. »Spekulationen kann ich bieten, mehr nicht.« Gedankenverloren zupfte er Erdklümpchen vom Stoff, die er in den Beutel fallen ließ. »Was machen wir nun? Können wir eine Nachricht senden? Besteht irgendeine Möglichkeit, das Schiff noch einzuholen, irgendwen zu informieren?«
    »Schon der Gedanke«, Landon schüttelte den Kopf, während er die Worte abwog, »dass Mary als Frau dem Schiff hinterherreist, um nachträglich an Bord zu gehen, ist unglaublich. Doch der Gedanke, dass sie auch noch als Mann an Bord gegangen sein könnte, ist ungeheuerlich. Niemand wird uns glauben, und wenn diese Annahme sich tatsächlich als wahr erweist, wird ein Skandal das Haus des ehrwürdigen Francis Linley erschüttern, wie ihn Plymouth lange nicht erlebt hat.«
    Den Rücken gewölbt, klaubte William weiterhin stoisch Erdklümpchen aus dem Kleid. »Wir werden nicht umhinkommen, es Mrs.   Fincher mitzuteilen. Sollte Mary an Bord sein, ist es eine irrige Annahme, dass sie die Reise unentdeckt hinter sich bringt. Falls nicht noch schlimmere Dinge geschehen   …«
    »Und diese Aufgabe wird mir zufallen, nehme ich an?«
    Der alte Mann hob den Blick nicht, aber er nickte. »Wenn der Verkauf des Hauses abgewickelt ist, und wir befinden uns in den letzten Zügen, werden die Köchin und ich in den Dienst von Mrs.   Fincher treten. Vielleicht ließe es sich einrichten, dass Ihr wenige Tage später eintrefft?«
    »Wann wird das sein?«
    »Oh, ich denke, in der kommenden Woche.«
    Landons Blick fiel auf die Unterlagen seines Schreibtischs. Sandkörner waren über die Papiere verstreut. Gleich würde er sich wieder mit der Anschaffung eines Ladekrans befassen können. Welch wunderbarer Vorgang. Kalkulierbar, überschaubar und emotionslos.

Atlantik, 21.   November 1785
     
    »Mary, bitte wach auf.«
    Mary. Wie viele Wochen war es her, dass jemand sie beim Namen genannt hatte? Sie lächelte und zog die Decke über die Schultern, denn das Schiff war in dieser Nacht stark ausgekühlt. Doch dann fuhr sie abrupt in die Höhe und versuchte, sich in der Dunkelheit zu orientieren.
    »Mary, bitte.«
    Franklin! Es war Franklin, der sie beim Namen nannte. Nie hatte er sie mit ihrem Namen angesprochen. Und auch ihren falschen Namen hatte er seit der Enttarnung kaum noch verwendet, als wollte ihm das kleine Wort Marc nur schwerlich über die Lippen kommen. Nun rief er nach ihr und nannte sie Mary. Sie schluckte. »Franklin? Was ist? Geht es dir nicht gut?« Sie lauschte seinen Atemzügen. Hatte sie vielleicht geträumt?
    »Hilf mir.«
    Mit zitternden Fingern zündete sie die Öllampe an. Die Flamme warf Schatten, die unförmig durch den Raum schwankten.
    Klein und kreidebleich erschien ihr Franklins Gesicht, groß jedoch seine glänzenden Augen. »Meine Hände und Füße sind erstarrt, ich kann sie nicht mehr bewegen«, flüsterte er.
    Mary warf die Decke beiseite, sprang aus der Koje, beugte sich über ihn und befühlte seine Stirn. Nasse, kaltschweißige Haut. Der Körper bebte. »Ich hole Doc Havenport, bleib liegen.«
    »Nein, nicht den Doc!«
    »Franklin, wir brauchen Medikamente.« Sie nahm seine Hand. »Ich verspreche dir, ich werde deine Behandlung beaufsichtigen. Aber jetzt brauchen wir den Wirrkopf mit seinen Tiegeln und Pillen, ja?«
    Die Locken wippten sacht.
    Mary griff sich die Lampe.
    Mit aller Kraft, die Hand zur Faust geballt, hämmerte sie gegen Doc Havenports Tür.
Ich habe keine Zeit
zu
warten, bis unser weinseliger Schiffsarzt wach wird,
dachte sie, betrat die Kajüte und stellte die Lampe auf dem Behandlungstisch ab. Heftig rüttelte sie an Doc Havenports Schulter. Seine Augenlider zitterten.
    »Wir brauchen Euch, Mr.   Myers liegt darnieder. Schnell, bitte kommt mit mir.«
    Doc Havenport fasste sich an die Stirn und hielt die Augen geschlossen. »Nehmt doch bitte die lederne Tasche, und dann lasst uns gehen«, sagte er, rang nach Luft und schob sich aus der Koje. Seine Bewegungen

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