Vom Buch zum Byte. Kurze Geschichte des E-Books (German Edition)
Herstellungspreis gesenkt werden. Denn das Display eines E-Readers ist bis heute das teuerste Bauteil. Als Sony im Jahr 2004 den weltweit ersten E-Reader mit E-Ink-Technologie startete, galt das umso mehr. Der zunächst nur in Japan verkaufte Librié EBR-1000EP ähnelte vom Äußeren her bereits heutigen Lesegeräten. Er besaß ein 6 Zoll großes Display (Auflösung: 600×800 Pixel, 4 Graustufen), unter dem eine QWERTY-Tastatur angeordnet war, außerdem gab am Rand des Librié noch spezielle Umblättertasten. Mehr als ein Achtungserfolg war für Sony zu diesem Zeitpunkt aber nicht drin. Das lag nicht nur an dem mit 41.000 Yen (damals knapp 325 Euro) recht hohen Preis, sondern vor allem an den medialen Gewohnheiten der Handy-Nation Japan – ein schwarz-weißes Display konnte gegenüber der Lektüre auf farbigen LCD-Screens von Mobiltelefonen einfach nicht mithalten. Auf ihrem „Keitei“ luden die Japaner zudem längst per Tastendruck E-Books oder Mangas direkt aus den Netz herunter, Sonys E-Reader dagegen besaß nur einen USB-Port. Die Lektüre in dem von Sony entwickelten BroadBand-E-Book(BBeB)-Format musste also erstmal via PC aus dem Internet geladen und dann per Kabel übertragen werden.
Da half es nur wenig, dass Sony mehr als ein Dutzend Buch- und Zeitungsverlage mit ins Boot geholt hatte, um genügend Content für den weltweit ersten E-Reader mit elektronischem Papier anbieten zu können. „Eines Tages werden Millionen Menschen all das, was Sie publizieren, auf einem solchen Gerät lesen. So sieht die Zukunft aus!“, soll Sonys Chefdesigner bei der Vorführung eines Prototypen den versammelten Buchmachern prophezeit haben. Die Verlage dachten aber wohl eher an die unmittelbare Zukunft der eigenen Zunft, und so stellte jeder erst einmal nur 1000 Titel zur Verfügung. Ob nun Kalkül oder nicht, das blieb nicht ohne Folgen. Selbst der von Sony anvisierte Verkauf von 5000 Lesegeräten pro Monat erwies sich als zu optimistisch, denn die brandneue Technik wurde vom Publikum mehr oder weniger ignoriert. Nach drei Jahren musste Sony das Reader-Experiment im Land der aufgehenden Sonne sang- und klanglos beenden. Für das Nachfolgemodell PRS-500 zielte der Unterhaltungsriese nun auf einen vielversprechenderen Markt,nämlich die USA. Dort kündigte sich zu diesem Zeitpunkt aber schon ein neuer Stern am Reader-Himmel an: Amazon.
„Books are not dead“: Die Geburt des Kindle
Zu den ersten Käufern des Librié gehörte nicht ganz zufällig ein amerikanischer Geschäftsmann namens Jeff Bezos. Der Legende nach soll der Amazon-Chef 2004 gleich dreißig Stück bestellt haben, um sie von seinen Mitarbeitern ausgiebig testen zu lassen. Ein am Markt erfolgreicher E-Reader der Konkurrenz, das war dem gewieften Geschäftsmann sofort klar, würde auch die bisherige Geschäftsgrundlage des Online-Handels mit gedruckten Büchern gefährden. Zugleich bot eine bei Millionen Kunden beliebte Plattform wie Amazon beste Voraussetzungen, um im E-Book-Business mitmischen zu können. Winkte hier nicht auch die einmalige Chance, den Schritt vom Online-Shopping am PC zum mobilen Shopping zu wagen, auf den Sony mit seinem Ansatz verzichtet hatte? Bezos startete kurz darauf ein eigenes E-Reader-Projekt. Er begann Verhandlungen mit E-Ink Corp., dem führenden Display-Hersteller, und beauftragte Steve Kessel, seine rechte Hand, mit der Einrichtung eines eigenen Entwicklungslabors in Cupertino, das den geheimnisvollen Namen Lab 126 erhielt.
Die Gerüchteküche im Silicon Valley begann bald zu brodeln – was wurden da quasi in Apples Hinterhof von rasch angeheuerten Entwicklern ausgeheckt? War es ein neuer MP3-Player oder vielleicht ein neuer Handheld-Computer?
Die Entwicklung zog sich über mehr als drei Jahre hin – was auch an den ambitionierten Vorstellungen von Bezos lag. Brad Stone berichtet in einer Hintergrund-Story für das Bloomberg Business Magazine:
„Das neue Lesegerät sollte kinderleicht zu bedienen sein, forderte der Amazon-Gründer, und vertrat den Standpunkt, man dürfe den technisch unbegabteren Nutzern nicht zumuten, das Gerät für ein WiFi-Netz zu konfigurieren. Außerdem hielt er nichts davon, den Reader mit einem PC zu verbinden. So blieb als einzige Alternative eine Verbindung über das Mobilfunknetz, was praktisch bedeutete, in die Hardware ein Mobiltelefon einzubetten. So etwas hatte bisher noch niemand ausprobiert.“
Doch Bezos bestand darauf, dass Kunden sich keine Gedanken darüber machen sollten, ob nun
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