Vom Dämon gezeichnet - Rowland, D: Vom Dämon gezeichnet
leiten würde, wollte ich nicht das Risiko eingehen, darum gebeten zu werden, mich vor der Kamera dazu zu äußern. Es überraschte mich ein wenig, dass der Chief bereit war, ein Interview zu geben. Normalerweise überließ er so was dem Pressesprecher. Er war ganz sicher nicht so mediengeil wie die meisten Mitglieder der Lokalprominenz. Auf der anderen Seite war er auf seinen Posten gesetzt und nicht gewählt worden, also brauchte er es auch nicht zu sein. Aber ich nahm an, ein möglicher Symbolmord war interessant genug, dass er sich genötigt fühlte, etwas dazu zu sagen. Ich lief leise und schnell zur Hintertür, und es gelang mir, darin zu verschwinden, bevor mich draußen jemand entdeckte. Ich hatte nach der Aufklärung eines größeren Scheckbetrugs schon einmal vor einer Kamera gestanden, und es war mir gelungen, als Blödsinn stammelnde Idiotin aufzutreten. Ich hatte nicht das geringste Bedürfnis, dieses Erlebnis zu wiederholen.
»… warten wir noch auf die Ergebnisse der Autopsie, bevor wir in der Lage sind, diesen Mord mit dem Symbolmörder in Verbindung zu bringen.« Ich hörte die Stimme des Chiefs, während sich die Tür hinter mir schloss, und ich lief durch den holzgetäfelten Flur zu meinem Büro, das ungefähr die Größe eines Schranks hatte. Abgesehen von seinem Fitnesswahn schien der Chief kein schlechter Kerl zu sein, obwohl ich mir aufgrund meiner erschreckend geringen Erfahrungen mit ihm darüber kein wirkliches Urteil bilden konnte. Er war vor fast zehn Jahren vom Bürgermeister zum Polizeichef befördert worden, wodurch sich einige aus den höheren Rängen des Beaulac PD von damals ordentlich auf den Schlips getreten fühlten. Eddie Morse stammte nicht aus der Gegend. Erst ein Jahr vor seiner Ernennung war er nach Beaulac gezogen, nachdem er vorher stellvertretender Chief in einer kleinen Stadt im Norden von Louisiana gewesen war. Nachdem der frühere Chef an einem Herzinfarkt gestorben war, hatten sich alle höherrangigen Polizisten im Beaulac PD um die Position beworben, die ihnen dann vor der Nase weggenommen und einem völlig Fremden anvertraut worden war. Es gab viele, die der Meinung waren, dass jemand auf den Posten gehört hätte, der sich mit den örtlichen Problemen besser auskannte.
Ich persönlich glaubte nicht, dass die Herkunft irgendeine Rolle spielt, solange der Chief wusste, wie man sich als Chief zu verhalten hatte, und in den vergangenen zehn Jahren war es ihm gelungen, keine größeren Skandale zu produzieren – was in Louisiana schon einem kleinen Wunder glich. Das Einzige, was ich an ihm auszusetzen hatte, war, dass er sich nur selten, wenn überhaupt, mit dem Fußvolk abgab. Aber das war natürlich ein zweischneidiges Schwert. Es gab schließlich viele Gelegenheiten, bei denen es angenehmer war, nicht unter Beobachtung zu stehen.
Ich entdeckte die Detectives Boudreaux und Pellini am Ende des Ganges bei der Kaffeemaschine. Sie drehten mir den Rücken zu, und ich blieb stehen. Soll ich es diplomatisch angehen und sie um Rat fragen? Ich war mir zwar absolut sicher, dass ihr Ratschlag einen Scheiß wert war, aber manchmal musste man im Namen der Diplomatie bestimmte Dinge tun und sich zumindest bemühen, das Spiel mitzuspielen. Ich zog ein mürrisches Gesicht. Ich wusste, ich musste irgendeine Brücke zu ihnen schlagen, denn sie würden mit absoluter Sicherheit nicht zu mir kommen und ihre Hilfe anbieten.
»… nichts als dämliche Fälle«, hörte ich Pellini in seinem unverkennbaren nasalen Bariton stöhnen. »Ich sollte wirklich nicht diesen Mist mit der häuslichen Gewalt bearbeiten. Man hätte Gillian darauf ansetzen können, schließlich ist sie eine Frau.«
»Ohne Scheiß«, erwiderte Boudreaux. »Ich kann einfach nicht glauben, dass der Captain ihr den Mord gegeben hat. Was für ein Irrsinn.« Ich konnte sein Gesicht nicht sehen, aber ich hörte den Ärger in seiner Stimme. »Sie muss mit dem Captain ficken. Ich wette, so hat sie das auch mit der Versetzung hingekriegt.«
Pellini kicherte, aber ich hatte keine Lust, mir seine Erwiderung anzuhören. Scheiß auf die Diplomatie, dachte ich, während ich auf die beiden zumarschierte.
»Hi, Leute!«, zwitscherte ich, während ich nach einem Becher Kaffee griff. »Ich brauch wirklich dringend mal einen Schuss Koffein.« Ich warf beiden ein extra fröhliches Grinsen zu, während ich mir den Kaffee einschenkte. »Diese ständige Fickerei mit dem Captain, um an die guten Fälle zu kommen, macht mich noch völlig
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