Vom Dämon versucht - Rowland, D: Vom Dämon versucht
Rucksack holte. Ich war nicht im Geringsten qualifiziert für das, was ich vorhatte, aber ich brauchte ihr Blut. Und es mir auf die traditionelle Weise eines Beschwörers zu beschaffen – durch einen oberflächlichen Schnitt am Unterarm –, würde viel zu viele Fragen nach sich ziehen. Ich nahm an, ein Nadelstich würde nicht weiter auffallen, schließlich bekam sie davon schon genug.
Beim dritten Versuch gelang es mir, eine Vene zu finden, und ich war überaus froh, dass meine Tante nicht wach war und mich wegen meiner Unfähigkeit ausschimpfen konnte. Erleichtert atmete ich auf, als es mir gelang, die Spritze mit Blut zu füllen, dann schob ich das ganze Ding in ein Röhrchen zur Beweissicherung und verschloss es mit einer Kappe. Danach verstaute ich es in meinem Rucksack. Als Nächstes riss ich ihr ungefähr fünfzig Haare mitsamt der Wurzel aus. Ich ließ sie in einen Umschlag fallen, faltete ihn zusammen und schob ihn ebenfalls in den Rucksack. Danach nahm ich mit zwei Tupfern Abstriche von ihrer Mundschleimhaut. Als würde ich sie auf eine Vergewaltigung hin untersuchen .
Schließlich öffnete ich den Vorhang wieder, zog eine Nagelschere aus dem Rucksack und begann, ihre Nägel zu schneiden, obwohl das nicht wirklich nötig war. Eine der Schwestern musste es vor Kurzem getan haben, aber selbst die Proben, die ich sammeln konnte, reichten für mein Vorhaben aus. Der Mann der anderen Frau kam währenddessen zurück und lächelte mir anerkennend zu. Ich lächelte kurz zurück und nickte. Dass ich die abgeschnittenen Nägel in einem Briefumschlag sammelte, ließ ich ihn nicht sehen.
Ich hatte den kleinen Umschlag mit den Nägeln gerade in meinen Rucksack geschoben, als eine junge, schlanke rothaarige Frau in einem Schwesternkittel hereinkam. Sie warf dem Mann ein Lächeln zu, das man nur als kess bezeichnen konnte, aber als sie mich sah, blinzelte sie offensichtlich sehr überrascht.
„Oh, hi! Ich glaube nicht, dass ich Sie kenne“, sagte sie mit einem strahlenden Lächeln. „Gehören Sie zur Familie?“
„Ich bin ihre Nichte“, erwiderte ich, bereit, mich zu verteidigen, weil ich so selten zu Besuch kam. „Ich bin Kara Gillian.“
„Oh, natürlich!“, zwitscherte sie. „Sie stehen auf ihrer Tafel.“ Und als wollte sie dies beweisen, nahm sie die Tafel vom Fußende des Bettes und warf einen Blick darauf. „Also, Miss Kara, ich bin Melanie.“ Sie grinste und deutete stolz auf das Namensschild an ihrer Brust. Ich fragte mich, ob sie manchmal ihren Namen vergaß und einen Blick darauf werfen musste, um sich zu erinnern. „Und Sie können sicher sein, dass ich alles tue, was in meiner Macht steht, damit es Miss Tessa so gut geht wie nur irgend möglich!“
„Ich … äh … bin Ihnen sehr dankbar“, erwiderte ich und fühlte mich durch ihre Überschwänglichkeit fast ein wenig eingeschüchtert.
„Also ich bin fast jeden Tag zur Mittagspause in Miss Tessas Laden gegangen“, fuhr sie fort. „Sie hat immer extra Sprossen auf mein Putensandwich getan, genauso wie ich es mag, und mir niemals auch nur einen Cent mehr abgeknöpft. Deswegen empfinde ich es als schicksalhaft, dass ich mich jetzt hier um sie kümmern darf!“ Melanie strahlte mich an, während ich fieberhaft nach einer angemessenen Antwort suchte. Über ihre Schulter sah ich, wie der Mann von Tessas Zimmergenossin ein breites Grinsen hinter seiner Hand verbarg. Ich warf ihm einen verzweifelten Blick zu, aber er zuckte nur hilflos die Schultern, als wollte er sagen: Sie ist verrückt, aber sie ist harmlos .
Ich unterdrückte einen Seufzer. „Melanie, ich bin sicher, sie ist viel glücklicher, da sie weiß, dass sie sich in so guten Händen befindet.“
Ihr Lächeln wurde noch strahlender, falls das überhaupt möglich war. „Oh, vielen Dank, dass Sie das sagen! Und ich bin wirklich froh, dass Sie immer alle vorbeikommen. Vielleicht bilde ich es mir ja nur ein, aber sie scheint nach jedem Besuch etwas wacher zu sein.“
Ich blinzelte. „Warten Sie mal – kommt außer mir noch jemand?“
„Aber sicher! Spätabends besucht sie immer noch ein Mann. Ich dachte, es müsste ein anderer Angehöriger sein, da um die Zeit nur noch Familienangehörige kommen dürfen.“
Was zum Teufel hat das zu bedeuten? „Können Sie ihn beschreiben?“
Sie biss sich auf die Lippe. „Wow. Äh … also, er ist älter als ich. Und er ist ziemlich groß, schätze ich.“ Sie schüttelte den Kopf und warf mir einen verwirrten Blick zu. „Tut mir leid.
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