Vom Dämon versucht - Rowland, D: Vom Dämon versucht
aber ich hatte das Gefühl, dass das mehr ein Arrangement gewesen war, wodurch der Reyza länger in dieser Sphäre bleiben konnte oder bei dem er nicht mehr bei jeder Beschwörung neue Verhandlungen eingefordert hatte – vielleicht so etwas Ähnliches wie die Korrektur der Ankerpunkte, wie Kehlirik es mir gezeigt hatte.
Aber Rhyzkahl wollte etwas ganz anderes. Er verlangte, dass ich ihm praktisch garantierte, ihn regelmäßig zu beschwören – wobei seine Gegenleistung darin bestand, dass ich nicht das Risiko einging, abgeschlachtet zu werden. Klar, nette Belohnung.
Ich konnte nicht leugnen, dass es schon eine große Versuchung war, Zugriff auf sein Wissen und seine Fähigkeiten zu bekommen, aber mit Rhyzkahl umzugehen, konnte man in keiner Weise damit vergleichen, einen Reyza an der Leine zu haben. Rhyzkahl wollte alles haben, was ich ihm nur geben konnte – und mehr. Und ich war mir einfach nicht sicher, wie weit ich in der Lage sein würde, ihn zu kontrollieren.
Okay, überhaupt nicht war wahrscheinlich die richtige Antwort. Und außerdem … wie groß war das Risiko – für mich selbst und für diese Sphäre –, wenn ich ihm häufiger den Übertritt ermöglichte?
Ich ging den Flur hinunter zu Tessas Bibliothek, und mir fiel ein, dass ich einige der Wächter wieder aktivieren musste – was hoffentlich bis zum nächsten Vollmond reichen würde, wenn ich einen Dämon rufen konnte, der wusste, was er tat. Aber zuerst musste ich ein paar Informationen finden, die ich brauchte, und das würde nicht leicht werden. Tessas Bibliothek war, was irgendeine Art von Ordnung anging, der pure Albtraum – zumindest für mich. Jeder Zentimeter Wand war mit Regalen bedeckt, selbst noch über der Tür, und jedes einzelne davon war vollgestopft mit Büchern, Dokumenten, Schriftrollen und anderem Kleinkram. Der Boden war ein Meer aus herabgefallenen Büchern, und auf dem großen Eichentisch in der Mitte des Raumes stapelten sich die Bücher hinauf fast bis zu dem mächtigen Kronleuchter, der von der Decke hing – ein Kristallmonster, das aussah, als gehörte es eigentlich in einen Ballsaal.
Ich seufzte. Ich hatte keine Ahnung, wie es Kehlirik gelungen war, sich dort drin überhaupt zu bewegen. Ich legte mein Notizbuch auf einen Stapel Papier auf dem Tisch und nahm einfach irgendein Buch aus dem Regal, wobei ich betete, dass hinter diesem Wahnsinn doch irgendein System steckte.
Als ich aufwachte, hatte ich einen steifen Nacken, und mein Mund war vollkommen trocken. Ich musste blinzeln, um mich zurechtzufinden, dann begriff ich, dass ich in einem der Sessel eingeschlafen war. Ein Blick auf meine Uhr zeigte mir, dass es bereits nach fünf war. Es lag wahrscheinlich an meiner Erschöpfung, dass ich so vollkommen weggetreten war. Ungefähr vier Stunden lang hatte ich gesucht und gelesen, bevor ich eingeschlafen war, und in dieser Zeit hatte ich nur einen Bruchteil der Bücher und Dokumente in der Bibliothek gesehen und war zu dem Schluss gekommen, dass absolut kein erkennbares System existierte.
Nachdem ich schnell geduscht und etwas Frisches angezogen hatte, holte ich meinen MP 3-Player aus dem Wagen und steckte mir die Ohrstöpsel in die Ohren. Ich tanzte zu den Dixie Chicks und Faith Hill, während ich die Küche nach irgendetwas Essbarem absuchte. Schließlich entdeckte ich ein paar Müsliriegel von unbestimmbarem Alter und aß sie. Danach fühlte ich mich bereit, wieder in die Bibliothek zurückzukehren, um mir einen Überblick zu verschaffen, wie weit ich gekommen war.
Nicht besonders weit . Ich legte ein paar Bücher zur Seite, um sie später zu lesen, aber ich fand nichts, das meine Fragen beantworten konnte. Das passt zu Tante Tessa , dachte ich wütend.
Trotzdem konnte ich meine Suche nicht als Zeitverschwendung betrachten, da ich Bibliotheken schon immer geliebt hatte. Tessas Sammlung war etwas ganz Besonderes, und ich genoss es, auf dem Boden zu sitzen und mich in die etwas muffigen Bücher und ledergebundenen Folianten zu vertiefen. Als ich noch ein Kind gewesen war, hatten meine Eltern ein altes Lexikon besessen, bei dem es für jeden Buchstaben des Alphabets einen eigenen Band gab. Ich hatte Stunden damit verbracht, auf der Couch zu liegen und die Seiten durchzublättern, ohne mir irgendetwas Bestimmtes anzusehen, sondern einfach in mich aufzusaugen, was das Buch an Wissen preisgab. Seit Jahren hatte ich kein gedrucktes Lexikon mehr gesehen. Solche Dinge gab es inzwischen vollständig auf CD . Aber ich sagte
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