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Vom Daemon verweht

Vom Daemon verweht

Titel: Vom Daemon verweht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kenner
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gehen.
    Vor vielen Jahren hatte ich immer nur Kleidung getragen, die praktisch war. Im Grunde war es Militärkleidung gewesen, in der man Waffen unterbringen und sich zwanglos bewegen konnte. Heutzutage zog ich mich für meine Familie an. Praktische Klamotten, die Erledigungen einfacher machten; hübsche Outfits, die zu Stuarts politischen Veranstaltungen passten; und jetzt die legere Kleidung einer Mutter, sorgfältig ausgewählt, damit sich meine Tochter in der Öffentlichkeit zu mir bekennen konnte, ohne gleich im Sand zu versinken. Eines Tages, dachte ich, würde es Spaß machen, mich einfach nur für mich anzuziehen.
    Das Einzige, was mir an meinem Spiegelbild nicht gefiel, war die große braune Handtasche. Sie passte nicht zu einem Abend am Strand. Ich fand eine kleine aus Stoff, die ich vor einigen Jahren auf einem Markt erstanden hatte, und begann gerade, meine ganzen Sachen hineinzustopfen, als es an der Tür klingelte.
    »DÄMONEN!«, schrie Eddie, dessen durchdringende Stimme das ganze Haus erfüllte. »Die Bestien – sie sind überall! ÜBERALL!«
    Ich nahm hastig meine halb fertig gepackte Tasche und rannte die Treppe hinunter. Eddie hatte in seinem Leben schon viel durchgemacht. Sogar so viel, dass es fast an ein Wunder grenzte, wie er sich meist noch im Griff hatte. Dieser Griff war jedoch weniger stark, wenn er aus dem Schlaf hochgerissen wurde.
    Meistens hielt ich seine Träume für die Alpträume eines alten Mannes. Diese Erklärung schien auch Allie zu befriedigen, die von der Tatsache so begeistert war, endlich einen echten Urgroßvater zu haben, dass er wahrscheinlich auch mit einer Axt hätte durch unser Haus rennen können, ohne sie zu stören. Ich hatte angenommen, dass Stuart Eddies Ausbrüche weniger leicht tolerieren würde. Doch ich hatte mich geirrt. Stuart schaffte es, Eddie so sehr aus seinem Bewusstsein zu verbannen, dass er seine gelegentlichen Schreie vermutlich nicht einmal wahrnahm.
    Die Nachbarn jedoch waren nicht mit den Marotten meines Pseudo-Schwiegergroßvaters vertraut. Ich raste also die Treppe hinunter, um zur Haustür zu gelangen, ehe Eddie dort ankam. Oder bevor derjenige, der geklingelt hatte, Eddies Schreie durch die Tür vernahm und sich sogleich wieder aus dem Staub machte.
    »Hör auf!«, rief ich und schlitterte mit so viel Anmut wie ein Elefant auf dem Eis in den Flur zur Haustür. Dort stand er bereits. Er blickte wild um sich und hielt ein gefährlich aussehendes Stilett in der Hand.
    »An der Tür, Mädchen«, wisperte er mir zu. »Die Dämonen kommen durch die verdammte Tür!«
    »Nein, Eddie.« Ich legte meine Hand über die seine und nahm ihm die Waffe ab. »Du hattest einen Traum, und das Läuten hat dich geweckt.« Ich blickte ihm beruhigend in die Augen. »Es ist alles in Ordnung. Wir sind in Sicherheit. Es ist wirklich alles okay.«
    Timmy begann im Wohnzimmer zu heulen. Ich konnte es ihm nicht verdenken. In diesem Moment hätte ich am liebsten auch ein wenig geheult.
    »Mami, Mami, Mami«, rief er. »Wo bist du, Mami?«
    »Ich bin hier, Liebling!«, antwortete ich. »Es ist alles in Ordnung. Mami ist gleich da!« An Eddie gewandt, erkundigte ich mich: »Okay?«
    Er warf einen misstrauischen Blick auf die Haustür, nickte dann aber.
    Ich zögerte noch, um ganz sicher zu gehen, dass er sich wirklich wieder im Griff hatte. Doch da läutete es erneut an der Tür. Diesmal konnte ich Sylvias Stimme hören. »Kate? Ist alles in Ordnung?«
    Ich schloss auf und quetschte mich zwischen Eddie und die Tür. Als ich sie öffnete, hoffte ich, dass mein Lächeln echt wirkte. »Sylvia! Hi!« Ich versteckte das Stilett hinter meinem Rücken und lehnte mich gegen die Wand. »Ich… Äh… Ich dachte, dass ich Timmy zu dir bringen soll.«
    Wie auf Stichwort brüllte Timmy erneut nach mir.
    »Ich komme!«, rief ich.
    »Kinder können immer riechen, wenn man sie allein lassen will – nicht wahr?«, meinte Sylvia und ging an mir vorbei ins Haus. »Ich musste nur schnell zum Supermarkt und dachte mir, dass ich dann eigentlich auch gleich selbst vorbeikommen und nachsehen könnte, ob ich Timmy mitnehmen soll.« Sie streckte Eddie die Hand entgegen. »Hallo. Ich bin Sylvia.«
    »Hm.« Er nahm ihre Hand und zog Sylvia dann völlig unerwartet zu sich heran, so dass weder sie – noch ich – etwas dagegen machen konnten. Interessiert sog er ihren Atem ein und nickte mir dann zu. »Sie ist in Ordnung«, erklärte er.
    So sehr ich es auch versuchte – ich schaffte es nicht, den

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