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Vom Dorf - Abenteuergeschichten zum Fest

Titel: Vom Dorf - Abenteuergeschichten zum Fest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Rávic Strubel
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schien möglich, sogar die Härchen auf den weißen Armen der Mädchen zu sehen. Ich erinnerte mich gut daran. Ich hatte eine ganze Weile zugesehen. Ich erinnerte mich auch, daß es sechs Mädchen gewesen waren, da sie sich, während sie tobten, mal zu zweien und vieren, mal zu dreien und dreien aufgereiht hatten, was mir gefiel, da nie eine allein gegen alle stand.
    Ich wies die Streife darauf hin, aber das schien sie nicht zu interessieren. Sie wollten meine Wohnung sehen. Ich zeigte ihnen Küche und Bad, dann das Wohnzimmer im ersten Stock. Die Tür zum Arbeitszimmer unter dem Dach ist mit der gleichen hellen Tapete beklebt wie die Wand, und ich war froh, daß sie sie übersahen. Es wäre nicht leicht zu ertragen gewesen, dieses Zimmer fremden Blicken auszusetzen. Der Mann erzählte, daß sie die Jugendlichen |97| aus den Neubauten gegenüber vorläufig wegen Hausfriedensbruch in Gewahrsam genommen, aber im Grunde nichts gegen sie in der Hand hätten. Hausfriedensbruch, witzelte er, sei ja auch albern, wenn es zwar jede Menge Frieden, aber kein Haus gebe. Außerdem gehe es um ein verschwundenes Mädchen, und das werde man auf diese Weise sicher nicht finden. Wie lange das Mädchen bereits verschwunden war, konnten sie nicht genau sagen, auch sonst waren ihre Auskünfte eher widersprüchlich, und ich hatte das Gefühl, sie beobachteten mich.
    Die Aufforderung, ihnen meinen Keller zu zeigen, bestätigte dieses Gefühl. Etwas schien nicht zu stimmen. Sie wollten den gesamten Keller sehen. Sie leuchteten mit Taschenlampen in Ecken, die der Schein meiner dürftigen Deckenlampe nicht erreichte. Sie untersuchten sehr genau den Fußboden, und ich mußte sogar das schwere Metallregal von der Wand wegrücken, auf dem noch Gläser mit uraltem Eingeweckten stehen. Sie schienen nach einem doppelten Boden zu suchen oder nach einem versteckten Verlies. Sie schienen tatsächlich zu glauben, daß sie bei mir etwas finden würden. Bei diesem Gedanken wurde mir leicht übel. Bevor ich sie darüber aufklären konnte, daß hier ganz sicher nichts zu finden war, gab mein Körper nach. Meine Knie zitterten, und ich mußte mich an den Türrahmen lehnen. Mir brach der Schweiß aus, und dann überkam mich ein solches Gefühl von Trostlosigkeit, daß ich aufseufzte. Es war nur ein kurzer Moment, und da die beiden die Wand hinter dem Regal sorgfältig mit einer Sonde abhorchten, wahrscheinlich um einen verborgenen Herzschlag, einen flatternden Atem zu hören, bekamen sie nichts davon mit.
    Ihr Mißtrauen hat mich tief erschüttert. Wieso kommen sie ausgerechnet auf mich? Glauben sie, ich könnte dieses Mädchen entführt haben? Hatten sie in Küche oder Bad |98| eine Entdeckung gemacht, die ihr Mißtrauen geweckt hatte? Oder haben sie einfach jeden im Ort im Verdacht und durchsuchen systematisch alle Häuser?
    In diesem Moment fiel mir ein, was der Makler mal erzählt hatte. Auf einer unserer Hausbesichtigungen hatte er von einem wiederkehrenden Verhalten seiner Kunden gesprochen. Er hatte beobachtet, daß seine Kunden bei Wohnungsbesichtigungen oft nur das sehen, was sie schon kannten. In allen Objekten, die er ihnen zeigte, entdeckten sie nur Dinge, die sie an früheren Wohnungen gestört hatten. Sie gingen durch die Räume und überzogen sie sofort mit der Erinnerung an andere Räume. Einen Schatten an der Tapete hielten sie für einen Riß in der Wand, Sonnenspiele an der Decke für ein Zeichen von feuchtem Mauerwerk. In einer Wohnung, in der keine Fehler zu finden waren, fürchteten viele, sie hätten nur nicht genau genug hingesehen. Hätten sie das jedoch getan, hätten sich sofort die altbekannten Fehler eingestellt; eine Annahme, die sie noch in den schönsten Wohnungen mißtrauisch und schlecht gelaunt sein ließ. Sie hatten natürlich auf ihre Weise recht. Es ist notwendig, die eigene Betrachtung von dem abhängig zu machen, was man kennt, um einen Halt zu haben. Um Urteile fällen oder Entscheidungen treffen zu können. Andererseits macht es blind für die vielen Möglichkeiten, zwischen denen man sich entscheiden könnte.
    Die beiden Polizisten schienen Schwierigkeiten zu haben, in meinem Keller nicht das zu sehen, wonach sie suchten. Vielleicht waren sie deshalb so gründlich. Man hätte sich leicht davon überzeugen können, daß es keine Falltüren und Verliese gibt und ich nicht der Kidnapper bin, den sie suchen. Aber sie verbrachten über eine Stunde hier. Und welche Schwierigkeiten sie erst gehabt hätten, die |99| Fotos

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