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Vom Dorf - Abenteuergeschichten zum Fest

Titel: Vom Dorf - Abenteuergeschichten zum Fest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Rávic Strubel
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haben dort wieder welche ihr Lager bezogen. Die Strahler der Taschenlampen flitzten über die Wände, einmal stach einer direkt hier herein.
    Der Schlafmangel hebt alles intensiver hervor. Als ob |102| man schwebt. Dann ist die Versuchung groß, den Hörer zu nehmen, ARS Nummer zu wählen und eine Nachricht auf ihrem Anrufbeantworter zu hinterlassen. Vielleicht nur eine Zeile aus dem Eichendorff-Band. Vielleicht auch ein Zitat aus den Geschichten.
    Aber der Zorn ist mittlerweile verraucht.
    Der Zorn ist verraucht, nachdem in ARS Leben ein bißchen Unruhe gestiftet wurde. Das kann nicht unkommentiert bleiben, wenn einem jemand gleich die Polizei ins Haus hetzt!
    Es hat mich die halbe Nacht gekostet. Aber jetzt ist die Email abgeschickt.
    Ich bin hellwach und überdreht, ein erfreulicher Zustand. Nur das Zittern in den Unterarmen kündet noch von meiner Verärgerung.
    Eine Email-Adresse einzurichten, war nicht schwer. Ich bin kein Fachmann auf diesem Gebiet. Aber sie machen es einem leicht. Es ist erstaunlich, daß man im Internet einfach so unter jedem erdenklichen Namen auftreten kann. Es reichte, den Namen von ARS Bruder einzugeben und ein Kreuzchen zu machen für irgendeinen Werbeprospekt. Da ARS Bruder beim selben Anbieter bereits eine Adresse hat, entstand ein kleines Problem, aber nach einigen Versuchen war diese Hürde genommen. Ich ergänzte seinen Namen einfach um zwei Zahlen aus ARS Geburtsdatum vor dem @, und man teilte mir mit, die Email-Adresse sei erfolgreich angelegt. Ich muß gestehen, dieser Streich setzte eine ungeheure Kraft frei! Mich hat eine richtige Abenteuerlust gepackt.
    Seit über vierundzwanzig Stunden habe ich kein Auge zugemacht, und noch immer bin ich hellwach. So viele Ideen, so viele Möglichkeiten. Was hätte ich im Namen ihres Bruders nicht alles machen können! Ihr zu schreiben, |103| hatte natürlich keinen Sinn. Das wäre sofort aufgeflogen, die beiden kennen sich zu gut. Also beschloß ich, einer Freundin von ARS zu schreiben, deren Briefe in meinem Besitz sind. Den Briefen zufolge steht sie ARS sehr nahe, einer der Briefe war unterschrieben mit »ganz die deine... und seit heute vom Dorf!«.
    Unter dem Namen ihres Bruders schrieb ich ihr folgendes:
    »Es liegt mir fern, mich in die enge Freundschaft zwischen dir und meiner Schwester einzumischen. Vielleicht habt ihr das Problem, um das es hier geht, auch bereits ausräumen können. Dann betrachte meinen Brief bitte als hinfällig. Falls nicht, hoffe ich, dazu beitragen zu können, daß sich die Freundschaft zwischen euch nicht trübt. Es schmerzt mich zu hören, wie mißgünstig und abfällig meine Schwester in letzter Zeit über dich redet. Bei jeder Gelegenheit scheint sie dich schlechtmachen zu wollen. Selbst, wenn es keinen Anlaß gibt, fängt sie aus heiterem Himmel an, über dich herzuziehen.
    Du darfst es ihr nicht übelnehmen! Ich glaube nämlich, daß das seltsame Verhalten meiner Schwester weniger mit dir zusammenhängt als mit einer Person, in deren Bann sie seit vier Jahren steht. Sie hat das immer zu verheimlichen versucht. Ich habe es dennoch bemerkt, und das ist ihr sichtlich unangenehm. Deshalb läßt sie keine Gelegenheit aus, so zu tun, als halte sie die Aufmerksamkeiten dieses Menschen für lästig, sie verleugnet jedes Interesse. Aber in Wahrheit zieht es sie an. Wie sehr sie sich ihm verbunden fühlt, zeigt sich daran, daß sie kaum noch Zeit für andere hat. Sie würde ihre Zeit am liebsten nur darauf verwenden, ihm lange Briefe zu schreiben, wobei ihr die Verpflichtungen eurer Freundschaft hinderlich sind. Daß sie dich zum Zentrum ihrer Haßtiraden macht, liegt daran, daß ihr |104| euch so nahesteht und du vor allen anderen das Recht auf ihre Zuneigung und Aufmerksamkeit hättest.
    Ich sage dir das im Vertrauen und bitte dich, diesen Hinweis diskret zu behandeln. Ich möchte nicht, daß meiner Schwester etwas von dieser Mail zu Ohren kommt und sie sich am Ende noch ausgerechnet von mir, ihrem Bruder, der sie liebt und verehrt, verraten fühlt   –«
     
    Das Zittern in den Armen hat nachgelassen. Die Energie ist noch da, genug Spannung, um mich ans Schreiben zu machen. Ich muß das Protokoll hier abbrechen. Es scheint, als würde mir jetzt alles leicht von der Hand gehen –

|105| Unter der Plane
    Ich wollte mich mit meiner Freundin vom Dorf bei mir zu Hause zum Abendessen verabreden. Es war der vierte Advent. Der vierte Advent war in meiner Küche so gut wie unsichtbar. Lichterketten gibt es dort

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