Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes
gesamten Informationspool der Menschheitsgeschichte verbunden sind. Das Zeitbewusstsein der Erfahrenden ist verändert, die Denkprozesse sind bildhafter, ganzheitlicher und weniger zerlegend; die Emotionen sind fließender, runder und weniger blockiert. Die körperlichen Empfindungen sind direkter und lösen schneller die dazu passenden Vorstellungen und Bilder aus.
Psychospirituelle Begleiter für das Holotrope Atmen sollten therapeutisch erfahren und umfassend für diese Arbeit ausgebildet sein. Aufmerksam gehen sie während einer Atemsitzung durch den Raum und unterstützen zunächst durch ihre innere Haltung die Gesamtatmosphäre. Sie sind Teil einer größeren Einheit und Assistenten der inneren Weisheit. Sie sind nicht Schöpfer des Prozesses, sondern dessen Helfer, ganz im Sinne der ursprünglichen Bedeutung des Begriffes Therapie, der vom Griechischen therapeia kommt und mit »dienen und heilen« übersetzt werden kann. Gemäß Stanislav Grof (1993, S.284) orientiert sich der Gruppenleiter vor allem an dem, was sich zeigt. Dabei relativiert er seine eigenen Heilungskonzepte zugunsten der selbstregulatorischen Kräfte. Er führt aus: »Der Therapeut ist kein aktiv Handelnder, der die Veränderungen im Klienten durch bestimmte Interventionen verursacht, sondern jemand, der intelligent mit den inneren Heilungskräften des Klienten kooperiert.«
Die Betreuer übernehmen einerseits eine steuernde und schützende Funktion in der äußeren Realität, andererseits wirken sie durch Zentrierung, Resonanz, Intuition und Spontaneität. Wer nämlich dort, wo er ist, auch wahrhaftig anwesend ist, stiftet durch seine Präsenz Frieden. Sie werden dann aktiv, wenn etwa der zu Begleitende oder der Sitter den Therapeuten ruft, bei Aggressionsausdruck Widerstand erforderlich ist oder nährende Unterstützung gesucht wird. Die Körperarbeit führt den inneren Prozess über Blockierungen hinweg, fokussiert das Erleben und ermöglicht dadurch den Ausdruck zurückgenommener Impulse. Chronifizierte Spannungen, die häufig zu Stagnationen und einem Gefühl des Feststeckens im Leben führen, lassen sich damit auflösen und integrieren.
Eine Atemsitzung dauert in der Regel drei bis vier Stunden. Am Ende, wenn der Erfahrende zurückkommt und sich in Ordnung fühlt, verarbeitet er seine Erfahrungen noch mit Hilfe des »intuitiven Malens«, das einerseits die inneren Bilder widerspiegelt, aber auch auf einer symbolischen Ebene zu einer weiteren Integration des Erlebten beiträgt. Die Erfahrenden verlassen dann einzeln den Raum, wenn für sie der Prozess wirklich abgeschlossen ist. Das heißt in der Konsequenz, und darauf legte Grof allergrößten Wert, dass es keine festgelegten Zeiten gibt, wann eine Atemsitzung fertig ist. Der Erfahrende kann sogar Schaden davontragen, wenn er durch den Gruppenleiter zu früh aus dem Prozess herausgeholt wird. Denn was begonnen wurde, soll auch sein organisches Ende finden können.
Die Erfahrungen aus den Atemsitzungen werden später in der Gruppe besprochen, so dass das Erlebte sinnvoll auf den Alltag bezogen werden kann. Deshalb wird großer Wert auf die weitere Verarbeitung und Integration gelegt. Im Vordergrund steht dabei das intuitive Verstehen, weniger das Erklären oder Interpretieren. Was sagt mir die Erfahrung im Augenblick? Mit welchen gelebten oder ungelebten Aspekten könnte sie im Zusammenhang stehen? Wie ist die Einstellung zu meiner Erfahrung? Welche Symbole auf dem Bild sprechen mich an und welche stoßen mich vielleicht ab? Was könnten sie für mich bedeuten etc.? Dabei ist es wichtig, Geduld aufzubringen, wenn Unklares und Unverstandenes zurückbleiben, denn es kann oft Monate dauern, bis sich eine Erfahrung vollständig enthüllt. Die Bedeutung der Erfahrung wird dann häufig noch durch ergänzende Erlebnisse, Träume, äußere Ereignisse und Gespräche klarer. Die Aufarbeitung ist wie ein gemeinsames »kreatives Puzzlespiel«, in dem sich vielfältige Sinnhorizonte eröffnen und eine tiefgreifende Bewusstwerdung dessen, was Leben ist, deutlicher wird.
Die Ebenen, die noch mit der individuellen Existenz und Biographie assoziiert werden können, sind üblicherweise leichter nachvollziehbar. Wenn jemand in der frühen Kindheit vernachlässigt wurde und während der Atemsitzung sich plötzlich nachts im Kinderbettchen alleingelassen fühlt, dann können Ängste im Erwachsenenalter durch das Nacherleben dieser verheerenden Situationen verstanden, integriert und emotional korrigiert
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