Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes
sich das Ego des Organisierungsprozesses und der Funktionen des Ich. Die Dynamik von Ego-Komplexen absorbiert das Ich. Wenn wir das Ich symbolisch als Hausmeister der Seele betrachten, sieht es sich nun, durch die Verschmelzung mit dem Ego, als Hausbesitzer. Der persönlichen Bedürfnisbefriedigung, dem Wünschen und Wollen, der Sicherung der eigenen Grenzen und dem manipulativen Gestaltungswillen wird dann eine zentrale Bedeutung zugemessen, so dass der Person eine hervorgehobene Wirklichkeit zugeschrieben wird.
Autonomie verwandelt sich dann in Selbstherrlichkeit, das Spüren des Innenraumes in rücksichtslose Bedürfnisbefriedigung, das Regulieren von Gefühlen in Ausagieren, das Unterscheiden von Innen und Außen in Abgrenzung, Solidarität in Rivalität. Wenn sich dieser Zustand weiter verfestigt, erhebt sich die Person nicht nur von ihrem Umfeld und vom größeren Ganzen, sondern versucht es auch, zu kontrollieren und zu manipulieren.
Wenn wir in diesem Sinne das Ego reduzieren, wird der Druck des Ego auf das Ich nachlassen. Da die Person dann wieder für das größere Ganze durchlässiger wird, kann die Wesensnatur wieder mehr in die Mitte des Geschehens rücken. Das Ich kehrt nicht nur zu seinen ursprünglichen Aufgaben zurück, sondern kann sogar seine früheren Regulationsaufgaben freier und flexibler durchführen, weil es von der inneren Weisheit entlastet wird. Das Zusammenspiel der Kräfte wird ausgewogener und umfassender. Das Ich, verbunden mit dem Selbst, kann mit dem Leben spielerischer umgehen und inspirierende Impulse unbekümmerter aufnehmen. Die frei werdenden Energien stärken die Mitte und verankern sie im größeren Ganzen, wodurch die Ausstrahlung der Persönlichkeit an Tiefe gewinnt. Das Ich, so eingebettet, kann nun leichter Bewusstseinsinhalte vergegenwärtigen und integrieren. Innere und äußere Prozesse werden nicht mehr streng auseinandergehalten, sondern als zusammengehörig, in einem Ganzheitsfeld, erlebt.
Der Lebensrhythmus wird durch vorübergehendes Identifizieren und Loslassen flüssiger. In der Identifizierung fokussiere ich etwas, und im Loslassen kann wieder das Ganze durchscheinen. Der Zugriff auf intuitives Wissen scheint erleichtert, und die Resonanz mit dem, was sich ereignet, ist feinfühliger, wodurch man spontaner und kreativer seinen Impulsen folgen kann.
Dieses erweiterte Gewahrsein vertieft auch das Gefühl der Zusammengehörigkeit und des Mitgefühls zu anderen Wesen und der Schöpfung. Nicht nur äußerlich, sondern auch feinstofflich, weil die hinter den Manifestationen stehenden Felder und Atmosphären miteinbezogen sind. Ich bin dann Teil des Ganzen und agiere, um dem Ganzen zu dienen, und das Ganze verwirklicht sich durch das Individuum.
Das Zusammenspiel innerer und äußerer Kräfte optimiert sich, und ich erfahre mich in einem Prozess des Entdeckens und Entfaltens. Ich selbst bin sogar ein Prozess, der mit anderen Prozessen verbunden ist. Die inneren Schwingungen werden subtiler, und die Fassaden beginnen sich aufzulösen, weil es nichts mehr festzuhalten gibt. Ich lebe in der Gegenwart, übernehme Verantwortung und fühle mich nicht mehr als Opfer der Umstände, sondern vielmehr lebendiger und wahrhaftiger in meiner Kraft. Deswegen sind Enttäuschungen nicht mehr so kränkend wie früher, sondern fordern mich auf, innezuhalten und dem Unerwarteten Raum zu geben. Das transzendente Ich klammert sich nicht an Erwartungen, sondern handelt absichtslos, um dem universellen Willen und der inneren Weisheit zum Ausdruck zu verhelfen.
Wenn sich also das Ego transformiert, entstehen neue Ich-Qualitäten, weil das Ich dann der inneren Weisheit, dem transpersonalen Selbst, folgt und ihm dient. Es wird zum Sinnesorgan des Selbst. Das transzendente Ich ist zu bedingungsloser Liebe und Hingabe fähig. Es heftet sich nicht an Affekte, sondern begleitet sie. Es existiert in uns als Zeuge ohne Anhaftung und unterstützt uns in den täglichen Pflichten. Es zeichnet sich durch Vertrauen aus, kann flexibel reagieren und ist fähig, selbstproduzierte Konzepte wieder loszulassen. Ein gelassenes Ich, das seine Sicherheit in der inneren Weisheit gefunden hat, kann effizienter mit neuen Situationen umgehen, weil es grundsätzlich dem Lebensprozess vertraut. Es prüft nicht mehr argwöhnisch neue Erfahrungen, sondern analysiert sie wohlwollend.
Erst wenn destruktive Ego-Komplexe bewältigt werden, kann sich eine starke Persönlichkeit mit spiritueller Energie entfalten, die der
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