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Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes

Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes

Titel: Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvester Walch
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Daraufhin fragte er ihn, ob er denn Schwierigkeiten hätte, sich von ihr zu lösen, und traf damit ins Schwarze. Der Klient führte weiter aus, dass es für ihn eine große Belastung sei, wenn seine Frau einige Tage zu einer Fortbildung wegfahre. Das Alleinsein bereite ihm überhaupt angsterfüllte, schlaflose Nächte.
    Die psychotherapeutische Prozessarbeit lebt von intuitiven Bildern, die unbewusste oder nicht kommunizierte innere Zustände des Klienten widerspiegeln. Die innere Stimme kann auch bei Interventionen korrigierend eingreifen. Ich bin drauf und dran, eine schnelle Antwort auf die Frage, ob die Klientin einen Konflikt mit der Arbeitskollegin ansprechen solle, zu geben und wurde durch ein ungutes Bauchgefühl von dieser Intervention abgehalten. Nachdem ich schwieg, kam sie erst zum eigentlichen Thema, nämlich dass bei ihrem Mann vor einigen Tagen Lungenkrebs diagnostiziert wurde und sie panische Ängste entwickelte.
    Die innere Stimme ist nicht nur hörbar, sondern kann auch sichtbar werden. In einer Gruppensitzung ist ein Teilnehmer wütend, weil ihm beim Holotropen Atmen die Begleitperson zu nahe kam. Normalerweise unterstütze ich dann den Ausdruck von Wut, um das dahinterliegende Muster einer möglichen Gewalterfahrung herauszuarbeiten. Doch ich sah ein Bild, wie er, geborgen von mehreren Menschen, friedlich ruhte. Daraufhin bat ich einige Gruppenmitglieder, sich dicht neben ihn zu setzen. Plötzlich fing er an zu weinen, bat die anderen, noch näher zu rücken, und schlief sanft ein. Später, in der Aufarbeitung, sprach er von einem behütenden Mutterleib und unendlich viel Zeit. Zu Hause erfuhr er von seiner Mutter, dass er ca. fünf Wochen zu früh und unter schwierigen Umständen auf die Welt gekommen war.
    Um die innere Stimme zu stärken und die intuitiven Fähigkeiten zu erweitern, ist es günstig, bewusst vorgefertigte Konzepte loszulassen und dem Spürbewusstsein mehr Raum zu geben. Dazu ist es dringlich geboten, Resultate, die aus diesen Prozessen hervorgehen, nicht persönlichen Vorzügen zuzuschreiben, denn wir bedienen uns einer Weisheit, die größer und mehr ist, als wir fassen könnten. Wir sollten bescheiden annehmen, was uns durch diese subtilen Vorgänge offenbar wird. Die innere Stimme ist variantenreich und kann bis zu überwältigenden Gotteserfahrungen reichen. Nicht zu unterschätzen ist ihr Signalwert, wenn man schädliche Gewohnheiten abbauen will.
    Jemand, der abends noch eine gesellschaftliche Verpflichtung zu erfüllen hatte, fühlte sich plötzlich etwas unwohl. Kurz bevor er in seinen Anzug schlüpfte, stellte er sich vor, wie er den Termin telefonisch absagte. In der Realität missachtete er diesen Hinweis, überforderte sich und wurde gegen Mitternacht mit einem Schwächeanfall ins Krankenhaus eingeliefert. Am nächsten Morgen verließ er gegen ärztlichen Rat die Klinik. Später entwickelte sich bei ihm ein Burn-out-Syndrom, und er war über zwei Jahre arbeitsunfähig.
    Unaufdringlich und ausdauernd kümmert sich die innere Stimme um unsere Entwicklung, macht auf ungesunde Verhaltensweisen aufmerksam und begleitet uns durch Hindernisse. Die innere Stimme ist immer gegenwärtig, ob als Gefühl, Leibempfindung, Satz, Bild, Symbol, Zufall, Begegnung oder Vision, ob in kleinen alltäglichen oder in großen schicksalhaften Entscheidungen.
    Im Jahre 1986, nach einem Feuerlauf, hatte ich urplötzlich die Idee, meine Stelle als Krankenhausleiter zu kündigen, um mich ganz dem Holotropen Atmen und der Integration spiritueller Ansätze in die traditionelle Psychotherapie widmen zu können. Begleitet wurde dieser Gedanke von Visionen und enormen Energieschüben. Nach reiflicher Überlegung teilte ich dieses Anliegen meinem Arbeitgeber mit. Kurz darauf unterbreitete er mir ein Angebot, das viele meiner damaligen Kollegen vor Neid erblassen ließ. Er bot mir die Stelle eines Direktors an, dem drei psychotherapeutische Krankenhäuser untergeordnet waren. Dann müsste ich mich nicht mit dem Tagesgeschäft herumschlagen, könnte die konzeptionelle Arbeit vorantreiben und wäre für die Personalpolitik zuständig. Das vorgeschlagene Gehalt nebst möglichen Nebeneinkünften ging weit über das Übliche hinaus. Dieser einmaligen beruflichen Chance stand der Elan meiner Eingebung gegenüber. Nach Gesprächen mit meiner Frau und vertiefenden Kontemplationen nahm ich das Herz in beide Hände und kündigte.
    Wie von einer unsichtbaren Regie geführt, verlief der weitere Weg so wunderbar,

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