Vom Finden der Liebe und anderen Dingen (German Edition)
Manchmal hielt ich sie mir ans Gesicht und atmete durch sie hindurch wie mit einer Sauerstoffmaske.
Cecily wusste sofort, dass da was lief. Sie sagte nichts, aber sie verhielt sich eindeutig anders. Sie behandelte mich nicht mehr ganz so schlimm, und jedes Mal, wenn Julia am Pool vorbeiging, kicherten Cecilys Freundinnen alle wie blöd.
Bei Houston gab’s nicht allzu viel zu sagen, weil wir im Grunde ja schon drüber geredet hatten. Ich wusste schon, dass er mir die Daumen drückte. Beim Leseunterricht ein paar Tage später gratulierte er mir aber. Und unser Übungstext an dem Tag erwies sich dann als Geschenkgutschein für Julia und mich: ein Essen für zwei in einem Restaurant in der Stadt. Houston sagte, es sei ein tolles Lokal für ein Date. Und er sagte, wir sollten mal alle zusammen ausgehen, wenn seine Freundin aus Chicago zu Besuch komme.
Julias Mutter verhielt sich zunehmend anders mir gegenüber. Cecily hatte es ihr gesagt, oder sie war selbst dahintergekommen, denn eines Tages kam sie am Pool direkt zu mir in so einem winzigen, leuchtend roten Ledermantel. »Sag mal, Joe«, sagte sie. »Welche Absichten hast du mit meiner Tochter?«
Ich hatte keine Ahnung, dass sie auch nur meinen Namen kannte, und ich war auf diese Frage eindeutig nicht vorbereitet, aber ich merkte ziemlich schnell, dass es Julias Mutter ziemlich egal war, ob man ihr antwortete oder nicht.
»Einfach nur die besten«, sagte ich.
»Du bist ja so süß«, sagte sie. »Du bist wie ein Baby. Du hast ja keine Ahnung, worauf du dich da einlässt. Magst du chinesisches Essen?«
»Unbedingt.« Ich dachte gar nicht weiter nach. Ich log sie einfach an.
»Ich würde dich gern zum Essen einladen und ein wenig näher kennenlernen. Dir vielleicht ein paar Geschichten erzählen.«
Ich sagte, das fände ich eine gute Idee, aber ich glaubte nicht, dass sie es ernst meinte, also vergaß ich die Einladung ziemlich schnell wieder.
Ich glaube nicht, dass Julias Dad überhaupt wusste, dass ich in seine Tochter verliebt war, jedenfalls sagte er nichts. Und es kam auch nie zu einer direkten Begegnung mit Mr Manning, ich habe also keine Ahnung, ob jemand es ihm erzählt hatte. Aber um diese Zeit kriegte ich raus, warum er und Houston ständig diese wilden Truthähne fütterten.
Eines Abends war ich in Julias Zimmer geschlichen und bügelte in ihrer Küche gerade meinen Anzug, während sie im Bett lag und schlief. Es war ziemlich still, deshalb hörte ich ihre Wagen bis in den zweiten Stock über den Kies rollen. Ich trat ans Fenster und beobachtete, wie Houston und Mr Manning parkten. Als sie über den Rasen zu den Bäumen gingen, sah ich, dass diesmal Mr Manning den kleinen Koffer dabeihatte. Einer der beiden brachte ihn immer mit, und der andere übernahm ihn dann. Houston hatte einen Futtersack und auch einen großen Stock über der Schulter. Als sie zum Waldrand kamen, schüttelte er den Futtersack einige Minuten, bis der erste Truthahn aus dem Wald kam. Houston nahm etwas Futter aus dem Sack. Der Truthahn kam zu ihm und pickte alles aus seiner Hand. Als Houston Mr Manning den Stock reichte, sah ich, dass es ein Gewehr war. Mr Manning legte es an und schoss dem Truthahn ins Gesicht. »Morgen gibt’s Truthahn«, sagte er.
In dieser Zeit redete ich noch immer ziemlich oft mit Alvin. Er kam nicht häufig im Hotel vorbei, schon gar nicht, wenn noch jemand anders da war, daher sah ich ihn meistens nachts, auf dem Highway. Der nächste McDonald’s war ungefähr fünf Kilometer vom Hotel entfernt, und manchmal lief ich da hin auf einen Mitternachtsimbiss, nachdem Julia sich schlafen gelegt hatte. Dann erschien Alvin manchmal und begleitete mich ein Stück, oder wir lagen auf einem Felsbrocken und schauten zu den Sternen hoch. Er sprach nicht oft über Julia, weil er wusste, dass ich es nicht mochte, also unterhielten wir uns meistens über die alten Zeiten in Los Angeles. Noch während er immer jünger und kindischer wurde, sah man trotzdem an seinem Verhalten und daran, woran er sich noch erinnerte, wenn er sich bemühte, dass er bei seinem Tod achtzehn gewesen war. Irgendwie hatte er zwei Alter gleichzeitig, und man konnte mit beiden gleichzeitig reden. Es schien ihm ganz gut zu gehen, aber er wirkte immer verschlafen, und bei jedem Besuch ging er ein bisschen früher.
Alles in allem waren Julia und ich offiziell ungefähr einen Monat lang verliebt. Ich wurde nicht müde, es zu sagen oder zu hören. Ich lernte, dass das Aufwachen morgens am
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