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Vom Finden der Liebe und anderen Dingen (German Edition)

Vom Finden der Liebe und anderen Dingen (German Edition)

Titel: Vom Finden der Liebe und anderen Dingen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Lampson
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schönsten war, wenn man ein Mädchen küsste. Manchmal, wenn wir uns küssten, taten wir so, als wären wir zwei Astronauten, die zusammen in einem Raumschiff waren, das steuerlos durchs All flog, oder zwei Kampfpiloten, die auf einer einsamen Insel gestrandet waren. Oder dass ich ein DJ bei einem Radiosender war und Julia ein Fan von mir, dass sie zum Sender kam, nur um mich persönlich zu küssen. Vermutlich gibt es wohl tausend Formen der Liebe, aber unsere war für mich eigentlich so, als hätte ich was gestohlen, das ich nicht behalten dürfte. Mit Julia zu leben, im Hotel zu arbeiten, mit Houston Basketball zu spielen, Essen, Schwimmen und Lesen zu lernen, mit Alvin zu sprechen und mich an sein Leben zu erinnern – diese Monate in Tennessee waren im Grunde die besten meines Lebens. Als ich noch bei Marcus in Los Angeles wohnte, wünschte ich mir manchmal, dass die Zeit schneller liefe, aber in Tennessee wünschte ich mir jeden Tag, dass sie langsamer verginge. So kann Verliebtsein manchmal sein. Man ist glücklich, wo man normalerweise gelangweilt wäre, und vergisst allmählich alles andere, was einem je widerfahren ist.

6. Kapitel
 Dann wurde es allmählich kälter, und jeden Tag wehten mehr Blätter in den Pool. An einem Vormittag, ich fischte gerade eines heraus, fuhr Julias Mutter in einem schwarzen Cabrio, das ich noch nie gesehen hatte, am Hotel vor. Sie hupte, bis ich endlich merkte, dass sie nach mir hupte. Dann winkte sie mir vom Parkplatz her zu. Ich erinnere mich noch an die leuchtend rote Strumpfhose, die sie anhatte, und an ihren leuchtend weißen Pelzmantel und dass sie sich seit dem letzten Mal, als ich sie gesehen hatte, neue orangefarbene Strähnchen hatte machen lassen. Sofort redete sie so richtig vertraut mit mir, als wären wir bereits gute Freunde.
    »Hoffentlich hast du Hunger«, sagte sie. »Ich lechze schon den ganzen Vormittag nach was Chinesischem.«
    Ich stand kurz da und lächelte sie bloß an, bis mir wieder einfiel, dass sie mich ja eine Woche davor zum Mittagessen eingeladen hatte. Da hatte ich es noch nicht ernst genommen und es deshalb auch ziemlich schnell vergessen, aber jetzt fand es tatsächlich statt. Ich war überhaupt nicht darauf vorbereitet.
    »Klar hab ich Hunger«, sagte ich. »Ich sag nur schnell Julia Bescheid, dass ich gehe.«
    Ich ging in die Lobby und erzählte Julia, was los war. Sie wirkte noch nervöser als ich.
    »Das war ja vorauszusehen«, sagte sie. »Meine Mama kann sich einfach nicht um ihren eigenen Kram kümmern.«
    »Was soll ich denn mit ihr reden? Ich weiß ja nicht mal, wie ich sie anreden soll.«
    »Nenn sie Ms Delancey. Den Namen Manning hat sie abgelegt.«
    »Warum kommst du nicht mit?«
    »Ich kann nicht. Wahrscheinlich ist sie deshalb heute gekommen, weil sie weiß, dass ich montags mit Opa zu Mittag esse. Und deshalb hat sie uns auch so überfallen, damit ich nicht die Zeit haben würde, es zu verlegen.«
    »Dann muss ich Chinesisch essen.«
    »Du kannst ja immer noch kneifen. Sag ihr einfach, du brütest gerade irgendwas aus. Dann kriegt sie eine Heidenangst. Und kommt die nächsten sechs Wochen lang nicht in deine Nähe.«
    »Bist du aufgeregt?«
    »Warum denn?«
    »Ich gehe nicht mit, wenn du es nicht willst.«
    »Nein. Ist schon gut.« Julia holte tief Luft. »Ich kann jetzt nicht verrücktspielen, bloß, weil sie es tut. Versprich mir nur, dass du nichts darauf gibst, was sie dir erzählt.«
    »Okay.«
    »Meine Mama hat jede Menge wilder Ideen, und wahrscheinlich wird sie versuchen, dir ein paar echt verwirrende Lügen aufzutischen. Aber du hörst nicht auf sie, ja, Joe?«
    »Ich höre nie besonders gut zu.«
    »Darauf baue ich. Heute Abend erzählst du mir dann alles.«
    »Ich liebe dich.«
    »Ich liebe dich auch.«
    Julia knöpfte mir die Anzugjacke zu und küsste mich, dann ging ich wieder raus und stieg in Ms Delanceys Wagen. Sie bat mich gleich, das Verdeck hochzumachen, weil sie mir Musik vorspielen wollte. Kaum war ich angeschnallt, lief auch schon ein sehr munteres Country-Stück. Als wir aus dem Wald auf die Hauptstraße einbogen, fragte sie mich, wie ich es fände.
    »Ich finde es ziemlich gut.«
    »Nett von dir«, sagte sie. »Wahrscheinlich bist du aber nur höflich.«
    Ich hatte keine Ahnung, was sie von mir erwartete. »Das klingt echt wie Musik.«
    »Hörst du denn nicht, wer da singt?«
    Zum Glück erwartete sie auf diese unmögliche Frage keine Antwort. Sie langte unter ihren Sitz und förderte die Plastikhülle

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