Vom Finden der Liebe und anderen Dingen (German Edition)
ist.
Jedes Mal, wenn er zum Hotel kam, gab er mir Unterricht, und wir spielten auch Basketball, so oft es ging. Um uns abzureagieren, joggten wir manchmal auch im Park. Ich hatte davor nie gejoggt, aber mit Houston war das irgendwie ganz normal. Ich merkte, dass ich allmählich zu jemand anderem wurde, und auch Julia fiel es auf. Eines Abends, als wir auf ihrem Bett lagen und Poker spielten, mit Limabohnen als Chips, kam sie darauf zu sprechen.
»Irgendwie ist bei dir was anders geworden, Joe, aber ich weiß nicht, was es ist. Hast du abgenommen oder so?«
»Vielleicht. Wir spielen fast jeden Tag, und manchmal joggen wir auch.«
»Seit wann joggst du denn?«
»Houston sagt, es macht den Kopf frei.«
»Anscheinend kommt ihr ja bestens miteinander aus.«
»Wir werden Freunde.«
»Er hat dich ja richtig ins Herz geschlossen«, sagte sie.
»Das hoffe ich.«
»Was glaubst du, warum ist das so?«
Ich dachte darüber nach. Solche Fragen machten mich nicht mehr so nervös wie früher.
»Er sagt, er hat das Gefühl, er kann mir vertrauen.«
»Schön, wenn einer so was sagt. Gibst du?«
Nach dem Poker machten wir den Fernseher an und sahen einen Film über ein paar ehemalige Cops, die im Dschungel nach Gold jagten. Ungefähr nach der Hälfte legte ich Julia die Hand auf die Hüfte, und kurz darauf küssten wir uns. Wir küssten uns den ganzen Film durch, bis sie damit Schluss machte. Es war um einiges länger als sonst, aber dann drehte sie sich weg und schlug ein paarmal aufs Bett.
»Das halte ich nicht mehr aus«, sagte sie.
»Was ist denn?«
»Ich bin echt frustriert. Ich weiß, das kann nicht so weitergehen. Aber aufhören will ich auch nicht. Ich habe das so satt.«
»Aber wir tun doch nichts Unrechtes«, sagte ich. »Alvin ist es egal.«
»Woher willst du das denn wissen?«
»Weil ich sein Bruder bin. Ich weiß es einfach.«
»Woher hast du denn plötzlich dieses Selbstbewusstsein?«
»Gefällt es dir nicht?«
»Das habe ich nicht gesagt. Ich bin es nur nicht gewöhnt.«
»Ich glaube, es tut mir richtig gut, einen Job zu haben.«
»Mach mal kurz die Augen zu.«
Ich schloss die Augen und lag still auf dem Bett, dann fing sie an, meine Stirn, Wangenknochen, Lippen, alle wichtigen Teile meines Gesichts anzufassen, als wollte sie sichergehen, dass sie auch wirklich da waren. Als ich die Augen wieder aufmachte, betrachtete sie mich eingehend und lächelte dabei fast – aber nicht ganz. Doch kaum hatte sie gemerkt, dass ich sie ansah, kicherte sie und vergrub das Gesicht an meiner Brust.
»Warum kannst du mich nie ansehen?«, fragte ich.
»Hab ich doch gerade.«
»Aber nicht, wenn ich die Augen offen habe. Dann musst du immer wegsehen. Wie jetzt auch.«
»Stimmt gar nicht. Sieh doch.«
Ungefähr zehn Sekunden lang schaute sie mir voll in die Augen, bei Weitem die längste Zeit bisher. Ich erinnere mich, dass sie dabei fast die ganze Zeit die Luft anhielt. Dann umarmte sie mich wieder.
»Bleibst du die Nacht hier?«
»Wenn du möchtest.«
»Aber ich will noch duschen. Du kannst dich schon mal reinlegen, wenn du magst.«
Julia sprang vom Bett und rannte ins Bad, und bald hörte ich die Dusche laufen. Sie war wahrscheinlich an die zwanzig Minuten drin. Während ich wartete, legte ich mich unter die Decke. Ich hatte noch nie bei ihr im Zimmer geschlafen, wenn das Hotel nicht voll war. Da hatte ich bereits so ein Gefühl, was gleich passieren würde. Ich hatte wohl schon vorher versucht, mir diesen Augenblick vorzustellen, nach Filmen, die ich gesehen, oder Geschichten, die ich gehört hatte, aber die Leute, die ich mir ausmalte, waren immer ein bisschen anders, nicht richtig ich, nicht richtig Julia. Sie sahen uns ähnlich und waren auch in manchem so wie wir, aber irgendwie hatten sie mehr Erfahrung und wussten genau, was sie zu tun hatten.
Als sie rauskam, hatte sie ganz nasse Haare, und sie hatte das gelbe Nachthemd angezogen, das ihr bis über die Knie ging. So stelle ich mir Julia meistens vor, wenn ich an sie denke: wie sie in dem Nachthemd rauskommt, das Badezimmer hinter ihr noch voller Dampf. Den Blick hatte ich bei ihr schon vorher gesehen, wenn sie auf Zehenspitzen in einen kalten Swimmingpool stieg. Sie roch wie sonst, bloß kräftiger, als sie unter die Decke kam und die Arme um mich schlang.
»Mir ist kalt«, sagte sie. »Wärm mich.«
Ich rieb ihr den Rücken und wärmte sie, so gut ich konnte. »Besser so?«
»Besser. Jetzt nimm mich so fest in die Arme, wie du nur
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