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Vom Finden der Liebe und anderen Dingen (German Edition)

Vom Finden der Liebe und anderen Dingen (German Edition)

Titel: Vom Finden der Liebe und anderen Dingen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Lampson
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große Rothaarige zum Beispiel. Das war unser Rebounder.«
    »Du warst der Passgeber.«
    »Genau. Der Schwarze war unser Antreiber, und der besaß auch Weisheit. Das ist bei einem Spieler eine ungewöhnliche Kombination. Der dünne Junge war unser beinharter Verteidiger. Auch selten, dass so ein junger Typ diese Rolle übernimmt.«
    »Du warst unser Scorer.«
    »Nein. Der Scorer warst du.«
    »Dann warst du unser Spielführer und Passgeber.«
    »Das stimmt.«
    »Der Kleine war auch unser Sündenbock.«
    »Genau.«
    »Und der Rothaarige war auch unsere Seele.«
    »Nein, unsere Seele warst du.«
    »Aber ich war doch der Scorer.«
    »Du warst unser Scorer und unsere Seele. Egal, in welchem Team du spielst, du wirst immer die Seele sein.«
    Es war ziemlich normal, dass Houston mir Sachen über mich erzählte, die ich nicht verstand. Ich mochte sie, weil sie wie Komplimente klangen, auch wenn ich mir nicht ganz sicher war, was sie bedeuteten.
    »Glaubst du wirklich, ich habe Chancen bei ihr?«, fragte ich.
    »Da bin ich mir ganz sicher.«
    Das war der erste Tag, an dem ich mir wirklich eine ganze Zukunft für mich in dem Hotel vorstellen konnte. Wenn Houston mir erst alles beigebracht hätte, was ich lernen musste, dann würden er und ich zusammen rumfahren und wichtige Probleme lösen. Eines Tages würden wir dann sogar ein gemeinsames Büro haben. Ein paarmal die Woche würden wir Mr Manning Bericht erstatten, und er würde mich beglückwünschen, und dann würden alle sehen, dass sie mich unterschätzt hatten, und jeden Abend würde ich Julia im Bett vorlesen, und sie wäre an meine Brust gekuschelt. An das alles erinnere ich mich sehr gut. Manchmal erinnert man sich am besten an die Dinge, die man sich einmal erhofft hat, auch wenn sie nie eingetreten sind.
    »Das war heute ein Wahnsinnsspiel«, sagte Houston, als wir am Hotel vorfuhren.
    »Ich fand’s cool.« Ich öffnete die Tür. »Gute Nacht.«
    »Wir spielen bald wieder.«
    »Houston?«
    »Ja?«
    »Würdest du mir Lesen beibringen?«
    »Wirklich?« Er wollte erst wieder lachen, aber dann sah er, dass es mir ernst war, und wurde auch sehr interessiert und ernst. »Faszinierend«, sagte er. »Ich hatte noch nie einen Mitarbeiter, der nicht lesen konnte.«
    »Glaubst du, es ist dafür zu spät?«
    »Du bist wirklich unglaublich, Joe. Ganz ehrlich.«
    »Ist es zu spät?«
    »Zu spät? Überhaupt nicht. Aber es wird nicht einfach.«
    »Das ist mir egal. Ich würde die ganze Zeit lernen. Würdest du’s mir wirklich beibringen?«
    »Doch, ja«, sagte Houston. »Ich hätte sogar Freude daran. Nichts bereitet mehr Freude, als einen lernwilligen Schüler zu unterrichten.«
    »Ich werde gut sein«, versprach ich. »Einer der Besten.«
    »Dann können wir morgen nach dem Schwimmunterricht anfangen. Wiedersehen, Joe.«

    Wenn ich manchmal darauf zurückblicke, was ich alles gemacht habe, als ich in Tennessee war, erscheint es mir fast so, als hätte jemand anders es gemacht. Ich verbrachte den ganzen Tag in einem schönen Anzug, den ich davor nie getragen hätte, dazu wahrscheinlich die kürzesten Haare seit meiner Geburt, und in meiner gesamten Freizeit übte ich neue Fertigkeiten. Das Essen erwies sich als viel schwieriger als das Schwimmen, und es dauerte über eine Woche, bis ich nach den Chicken-Sandwiches von McDonald’s wieder was Neues essen konnte. Trotzdem hatte ich das Gefühl, jeden Tag Fortschritte zu machen. Das Lesen war tausendmal schwerer als das Essen, aber trotzdem hatte ich in der Schule wohl doch ein bisschen was aufgeschnappt – egal, wie sehr Alvin für das Gegenteil hatte sorgen wollen –, weil ich dabei immer so ein ganz vertrautes Gefühl hatte. Nicht, dass ich die Zeitung oder so was lesen konnte, aber schon nach ein paar Wochen hatte ich die Grundbuchstaben drauf, und, ehrlich gesagt, war das erste Wort, das ich las, die schöne Unterschrift, die ich so lange geübt hatte.
    Im Lauf dieser zwei Monate lernte ich Houston ziemlich gut kennen. Ich hielt überall nach Anzeichen Ausschau, dass er ein Cherokee war. Ich dachte, er habe vielleicht eine besondere Art zu essen oder einen ganz friedlichen Blick, aber nie habe ich was Derartiges bemerkt. Bloß einmal, als wir alle zusammen auf der Terrasse zu Mittag aßen und Julia die Gabel runterfiel, da fing Houston sie auf, bevor sie auf dem Boden landete. Ich habe keine Ahnung, ob ein Cherokee so was täte, aber in der ganzen Zeit, die ich dort verbracht habe, war das das Einzige, das mir aufgefallen

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