Vom Finden der Liebe und anderen Dingen (German Edition)
als unsere Freundschaft.«
Keiner dieser Gründe war mir bis dahin in den Sinn gekommen, aber als Houston sie aussprach, klangen sie ziemlich wahr. Ich ließ mein Fenster runter, und die kalte Luft, die durch den Wagen wehte, beruhigte mich irgendwie. Ich konnte die Bäume riechen und, wie ich glaubte, auch den Fluss.
»Du hast eine tolle Stellung«, sagte er. »Für einen ohne Ausbildung hast du den bestmöglichen Job. Du lernst eine Menge von mir, und das Leben hier verändert dich, macht dich zum Mann. Mich zu erwürgen würde das alles zerstören.«
»Aber was ist mit Julia?«
»Ich sage, dass wir das überwinden können.«
»Bist du in sie verliebt?«
Houston lachte.
»Du hast mit meiner Mutter gesprochen.«
»Und stimmt es?«
»Dieses Wort könnte für uns beide zwei verschiedene Dinge bedeuten.«
»Das heißt dann also Ja.«
»Ich gebe es zu, wenn du magst. Aber ich kann nicht sicher sein, ob es Liebe ist, weil ich nie etwas anderes empfunden habe. Ich kann mich einfach nicht an eine Sekunde in meinem Leben erinnern, in der ich nicht absolut sicher war, dass ich sie heiraten würde. Aber das heißt nicht, dass ich es auch werde.«
»Dann stimmt es also.«
»Sagen wir so: Wenn es nicht Liebe ist, dann würde ich die Liebe dagegen eintauschen.«
»Und warum hast du dann Alvin umgebracht und mich nicht?«
»Du tust so, als wäre das etwas Schlechtes.«
»Sag’s mir einfach.«
»Ich mag dich, Joe. Ich will dich nicht umbringen. Das Leben dauert lange, und du bist nicht schlecht für sie, so wie Alvin es war. Ich bin auf lange Sicht hier, also kannst du auch mal ran.« Houston lächelte. »Möge der Bessere gewinnen.«
»Du glaubst nicht, dass sie es ernst mit mir meint.«
»Natürlich nicht.«
»Du glaubst, ich bin für sie nur eine Phase.«
»Aber natürlich. Sie ist ja fast noch ein Kind. Und du auch. Alles, was passiert, ist nur eine Phase.«
»Wie hast du meinen Bruder getötet?«
»Ich habe ihn erschossen. Aber nicht, dass es mir gefallen hätte. Nun hör mal zu, Joe –«
Ich legte ihm wieder die Finger um den Hals und würgte ihn. Eine Weile versuchte er, meine Finger von der Kehle zu biegen, dann fuchtelte er mit den Händen und schlug nach meinen Beinen, wobei er so kleine Gurgelgeräusche machte. Offensichtlich hatte er mir was Wichtiges zu sagen, also ließ ich ihn los. Dann saß er japsend da, den Kopf zwischen den Knien, und versuchte, wieder zu Atem zu kommen.
»Hier bin ich nicht sicher«, sagte er. »Du bist einfach zu verdammt kräftig.«
»Ich war schon immer verdammt kräftig.«
Ich war froh, mich ein bisschen ausruhen zu können, weil ich mir irgendeinen Halsmuskel gezerrt hatte. Ich nahm den Sicherheitsgurt ab, damit er mir nicht mehr in die Quere kam.
»Du machst alles kaputt«, sagte er.
»Du hättest Alvin nicht umbringen sollen.« Ich dachte daran, wie wir immer Basketball gespielt hatten. Es wäre schön gewesen, noch ein bisschen öfter zu spielen. »Das alles hättest du dir überlegen sollen, bevor du beschlossen hast, ihn umzubringen.«
»Wann hörst du endlich auf, wie ein kleiner Junge zu denken?«
Dann kriegte Houston keine Luft mehr und hustete weiter, bis ich ihm wieder die Hände um den Hals legte. Er wehrte sich noch einen Moment, aber nicht lange. Ich würgte ihn, bis er starb. Dann zerrte ich ihn aus dem Wagen. Ich ließ ein Auto vorbeifahren, dann hob ich ihn auf die Schulter und trug ihn über die Brücke. Ich setzte ihn aufs Geländer und stieß ihn runter.
Der Fluss war wohl ziemlich weit unten, denn es schien, als fiele Houston ewig – lange genug, um sich im Flug noch zweimal umzudrehen –, und als er auf dem Wasser aufprallte, hörte ich es kaum klatschen. Dann verschwand er sofort. Ich glaube, er war zu dünn, um oben zu treiben. Der Fluss war breit und kräftig, aber auch sehr tief, ich weiß also noch immer nicht, ob Houston von der Strömung fortgetragen wurde oder gleich auf den Boden sank.
Nachdem Houston im Wasser verschwunden war, erwartete ich tatsächlich, dass er wieder hochkam und mit kräftigen Stößen kraulte, denn schließlich hatte er mir ja Schwimmen beigebracht. Das geschah natürlich nicht, weil er ja schon tot war, bevor ich ihn in den Fluss warf. Aber irgendwie erwartete ich es trotzdem.
Nachdem Alvin gestorben war, hatte ich sogar noch mehr mit ihm geredet als davor. Und da Houston mein erster guter Freund gewesen war, glaubte ich, dass er im Grunde auch weiterhin da sein würde. Ich dachte wirklich, er würde
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