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Vom Himmel das Helle

Vom Himmel das Helle

Titel: Vom Himmel das Helle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Diechler
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verlieben.
    »Schhh«, Mark legte mir den Zeigefinger an die Lippen. Er drehte sich um, hielt mich dabei fest im Arm, und machte das Licht aus. Mein Rücken sank nach hinten, gegen die Wand. Ich spürte die Härte der Raufasertapete zwischen meinen Schultern. Ein angenehmer kurzer Schmerz, der rasch der Lust wich. »Leg dich aufs Bett, meine Schöne. Dort ist es bequem für dich.« Ich tat, worum er mich bat und tastete mich drei Schritte zurück. Dann sank ich erlöst in die Kissen.
    Draußen hörte ich den Verkehr leise rauschen. Hier drin jedoch blieb alles still, blieb die Zeit stehen. »Lass uns die Liebe kosten. In allen Varianten und so, wie wir es mögen«, hörte ich ihn sagen. »Ja, das tun wir«, versprach ich. Seine Hand tastete sich weiter an mir entlang, ließ nichts aus. Er fühlte jeden Zentimeter ab, als müsse er sicher gehen, dass es mich tatsächlich gab. Dass ich aus Haut, Knochen, Sehnen, Muskeln, aus vibrierender Lebendigkeit bestand.
    Ich hielt mich noch immer zurück. Ich wollte zuerst spüren, was er mit mir vorhatte, bevor ich das meine mit ihm tat. Als er in mich eindrang, zuerst mit seiner Zunge, später mit seinem erregten Glied, löste sich jede Frage in mir auf. Woher Mark kam, was er vorhatte oder ob wir uns seit einer Ewigkeit kannten. Ich wollte nur noch eins, ihn spüren und den Drang nach Lust ausleben, den er in mir lostrat. »Du bist mein Schicksal, Lea«, seufzte Mark mir ins Ohr, während er sich rhythmisch auf mir hob und senkte. Ich nahm seine Bewegungen mit meinem Unterleib auf, schlang die Arme um seinen Oberkörper und küsste ihn mit einem solchen Verlangen, dass er kurz innehielt, um mich anzusehen. »Ich will dich, Mark. Ich will dich schon so lange«, gestand ich und dann gab ich ihm mein Tempo vor. Zuerst langsam, bedächtig, denn ich wollte jede seiner Bewegungen studieren, schließlich verfielen wir in schnellere Bewegungen, beide leise stöhnend.
    Von draußen drang das fahle Licht einer Reklame bis zu uns ins Zimmer und warf weiche Schatten auf unsere Gesichter. »Du tust so gut«, flüsterte ich Mark zu. »Das Leben müsste nach der Liebe benannt werden«, beschwor er mich. Im Flüsterton entgegnete ich: »Das haben die Menschen nur vergessen.« Und sogar dieser Satz klang betörend.

Neununddreißig

    Es war kurz vor fünf in der Früh, als wir uns vor unserem kleinen Paradies in der Stadt trennten. Ich nannte ihn ein letztes Mal beim Namen, denn es bereitete mir unbändige Freude, ihn auszusprechen. »Mark!« Es war, als gäbe ich ihm durch die Nennung eine Berechtigung in dieser Welt, als verschaffte ich ihm einen emotionalen Personalausweis.
    Er küsste mich in der Dämmerung, rief mir ein Taxi und als ich eingestiegen war, ging er davon. Ich saß auf der Rückbank und begriff, dass ich mich nicht länger fragte, ob ich ihn wieder sähe, oder wie lange er in seinem Körper sein würde. Ich war glücklich und dachte nichts mehr.
    Das Denken setzte erst wieder ein, als ich zu Hause ankam. Kaum in der Wohnung, die ich auf Strümpfen, um meinen Vater nicht zu wecken, betreten hatte, fiel mir Almut wieder ein. Sie drängte sich in mein Gehirn und ließ mich nicht mehr los. Ich entkleidete mich, schlüpfte in meinen Jogginganzug und zog mich mit meinem Notebook auf die Couch im Wohnzimmer zurück. An Schlaf war nicht zu denken. Ich war viel zu aufgekratzt. Am liebsten hätte ich noch mal probiert, Valerie anzurufen und ihr wortreich erzählt, was Unerhörtes passiert war. Doch was hätte ich sagen sollen? Dass ich in eine Art Fantasy-Roman geraten war und nun sehen musste, wie ich mich darin zurechtfand? Außerdem schlief Valerie bestimmt noch und ich wollte sie nicht wecken und mit meiner Geschichte verunsichern. Also ließ ich es bleiben. Nein, so traurig es auch war, diesmal musste ich ihr die Wahrheit vorenthalten. Meine Erlebnisse waren nun mal gewaltig und nicht so leicht zu erfassen.
    Ich nutzte die Zeit anders und begann, im Internet die Seiten jenes Werkes durchzusehen, das mir in der Lohmann-Villa aufgefallen war.
    Das Buch mit dem schwarzen Einband und der gelben krakeligen Schrift handelte von Selbstmord. In übersichtlichen Kapiteln wurden Erkennungsmerkmale abgehandelt, anhand derer man eruieren konnte, ob es sich tatsächlich um Selbstmord handelte oder etwa um Mord.
    Ich hatte anfangs darüber sinniert, weshalb man ein Buch zu dem Thema zu Hause hatte. Doch als ich keine befriedigende Antwort darauf fand, schob ich die Gedanken beiseite.

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