Vom Himmel hoch
Kraftschyk. Er zwirbelte seinen Schnauzer und begann: »Einstmals, es ist schon lange her und auch wieder nicht, da widerfuhr einigen Raumfahrern ein unerlebbares Erlebnis, weshalb ich die Geschichte davon
Die Begegnung mit dem wahren Irrtum
nennen will. Und sie trug sich in einem Raumschiff zu, das als eine Art Müllkutsche im Weltall umherkreuzte. Wie ihr wißt, ist der interstellare Raum teilweise ziemlich verschmutzt. Meteoritenschwärme, Reste von aus dem Leim gegangenen Himmelskörpern, Ballungen von Weltraumstaub und dergleichen können einen Raumfahrer in arge Verlegenheit, wenn nicht in große Gefahr bringen. Daher wurde eine Flottille von Raumschiffen ausgeschickt, um diese Gefahrenstellen auszumachen und auf einer Karte zu verzeichnen. Bei der Gelegenheit sollten auch lädierte oder sonstwie im Weltall verbliebene Flugkörper eingesammelt werden. Und da ich gerade nichts Besseres vorhatte, schloß ich mich dem Unternehmen an und erhielt einen Platz in der ›Dschunke‹, einem kleinen, aber recht schnellen Schiff, dessen Besatzung neben mir aus zwei Spezialisten sowie dem Piloten und dem Bordmechaniker bestand. Wir freundeten uns schnell miteinander an, und da wir, solange wir uns im Sonnensystem befanden, im Verband der Flotte flogen und noch nichts zu tun hatten, denn in unserem System war zu dieser Zeit schon gründlich aufgeräumt, fanden wir genügend Muße für ein zünftiges Weltraumpalaver. Raumfahrer sind ja ein eigenes Völkchen und spinnen ihr eigenes Schiffergarn, das seine unerschöpfliche Quelle in den überalterten Theorien oder absurdum geführten Hypothesen hat. Indem diese Theorien und Hypothesen nicht nur als bare Münze, sondern auch als selbsterlebte Wirklichkeit ausgegeben werden, kommen die wunderlichsten Schnurren zustande. Und einer der beiden Spezialisten, ein fröhlicher Mathematiker namens Satteltreu – nebenbei gesagt, soll er in seiner Jugend ein berühmter Saalradfahrer gewesen sein –, war darin ein wahrer Meister. Im besonderen hatte er es mit der Zeitverschiebung, die er mehr als einmal am eigenen Leibe erlebt haben wollte. Und da er behauptete, ein Zwilling zu sein, kam er auf die drolligsten Einfälle.
›Wenn mein Bruder noch lebte‹, behauptete er einmal, ›könnte er alles, worüber ihr lacht und was ihr nicht glauben wollt, bestätigen. Da er aber nicht wie ich durch den Weltraum gesaust und die Verjüngungskur der Zeitverschiebung durchgemacht hat, ist er mir längst davongealtert und mit achtundneunzig Jahren gestorben, während ich jetzt noch keine fünfzig zähle. Und mit meiner Frau ergeht es mir nicht viel besser. Obwohl sie, als ich sie heiratete, kaum zwanzig und also gut zehn Jahre jünger als ich war, geht sie jetzt auf die Achtzig zu. Aber ich bin ihr trotzdem treu geblieben, schließlich trägt sie keine Schuld an dem Dilemma.‹
So klagte Satteltreu auf die lustigste Weise über sein zurückgebliebenes Alter, und obwohl wir uns darüber ausschütten wollten vor Lachen, machte er das ernsteste Gesicht von der Welt. Außer ihm machte aber noch ein anderer ein ernstes Gesicht. Und je mehr wir lachten, desto ernster wurde er. Unser Bordmechaniker nämlich, und als wir ihn nach dem Grunde fragten, nicht anders meinend, als daß er einen Kummer mit sich herumtrage, der ihn daran hindere, über Satteltreus Erzählungen zu lachen, gestand er uns, daß es gerade diese Erzählungen seien, die ihn so ernst stimmten. Er habe, so erklärte er sich, eine Frau auf der Erde zurückgelassen, die ohnehin schön ein paar Jahre älter sei als er. Und wenn er nach einigen Jahren, beträchtlich verjüngt oder vielmehr beträchtlich langsamer gealtert als seine Frau, zurückkomme, werde die jetzt schon nicht glückliche Ehe sicherlich nicht mehr zum Aushalten sein.
Der Bursche hatte in seiner Naivität tatsächlich nicht unser Lachen über Satteltreus Schnurren, sondern diese selbst ernst genommen. Doch bevor wir über diesen unverhofften Spaß in Gelächter ausbrechen konnten, gab uns Satteltreu ein Zeichen, und wir lauschten, ohne eine Miene zu verziehen, seinen tröstenden Worten.
›Ich verstehe deine Sorgen‹, sagte er zum Mechaniker, ›aber du solltest die Dinge auch mal von der anderen Seite sehen. Wenn deine Ehe ohnehin nicht glücklich ist, kannst du doch froh sein, wenn sie auf die Art auseinandergeht.‹
›Ihr kennt meine Frau nicht‹, entgegnete der Mechaniker, ›sie ist der reine Teufel. Deshalb habe ich mich ja auch zum fliegenden
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