Vom Himmel hoch
beisammen haben.«
Fontanelli erhob sein Glas, um, dem Brauche entsprechend, der Erde einen Gruß zuzutrinken. Dem durfte sich keiner ausschließen, denn der Brauch, das letzte Glas des Tages zum Wohle der Erde zu trinken, war geheiligt und so alt wie das »Wirtshaus Zum Müden Gaul«. Stroganoff und der Himmelsgärtner brachten ihr Glas nur mühsam zum Munde, da sie noch immer am Lachen waren. Kraftschyk als dessen Urheber nahm sein wenn auch nur geringfügiges Schuldgefühl zu Hilfe und brachte ein beinahe ernstes Gesicht zustande.
»Also dann«, sagte er, »auf die alte Dame!«
»Auf die alte Dame!« sagten auch die anderen. Und danach schickten sie sich an, dem »Müden Gaul« für diesmal den Rücken zu kehren. Im Hinausgehen erinnerte der Himmelsgärtner den Bedienungsautomaten daran, das Lokal für den nächsten Donnerstag zu reservieren. Da der Automat nicht einmal piep machte, fragte ihn Wirsing, ob er es jetzt auch an den Ohren habe.
»Die Menschen können es sich wohl nie abgewöhnen«, piepte der Automat, »uns wie ihresgleichen zu behandeln. Auf uns kann man sich verlassen, wir hören immer zu und vergessen nie etwas, auch nicht, daß Sie alle Donnerstage den ›Müden Gaul‹ reserviert haben wollen.«
»Dann entschuldige nur«, sagte Wirsing, »ich dachte schon, du hättest es jetzt auch an den Ohren.«
»Da hätten sie ihm«, meinte der Raumkoch, »womöglich auch ein Kindergehör eingesetzt. Ich möchte wissen, was da herauskäme. Einem gleichschenkligen Dreieck könnten darüber die Hühneraugen verrosten, wenn es vorher nicht vor Heimweh stirbt. Na, dann bis zum nächsten Donnerstag.«
Das waren die letzten Worte, die an diesem Tage im »Wirtshaus Zum Müden Gaul« gesprochen wurden.
Der zweite Abend
Als Fontanelli mit raschen Schritten in den »Müden Gaul« trat, schlug Stroganoff die Augen auf und rief: »Ich bin schon da!«
»Ich sehe es«, bemerkte der Automatendoktor ziemlich verärgert.
Nach seiner Verspätung am vorigen Donnerstag hatte er heute der erste sein wollen, aber ausgerechnet der verschlafene Raumkoch war ihm zuvorgekommen.
Der indessen herangerollte Bedienungsautomat klappte die Deckel auf.
»Es ist wie in der Fabel von Hase und Igel«, piepte er, »die kleinen Dicken sind immer die ersten. Wollen Sie sich bitte ein Glas nehmen?«
»Woher kennt ein Automat Fabeln?« sagte Fontanelli, nahm ein Glas und schenkte sich ein. »In meiner ganzen Praxis ist mir kein Automat vorgekommen, der Fabeln kannte.«
»Seit ich die Piepstimme habe«, erklärte der Automat, »gibt mir der Bibliotheksroboter nur noch Kinderbücher zu lesen.«
»Der ›Bambino‹ ist ein Altersheim«, sagte Fontanelli, »wie kommen da Kinderbücher in die Bordbibliothek?«
»Ich habe mal gehört«, piepte der Automat, »daß alte Leute wieder zu Kindern werden. Die Bordbibliothek wird darauf eingerichtet sein.«
»Du denkst wohl, du kannst mich auf den Arm nehmen?« rief Fontanelli aufgebracht. »Mach die Klappen zu und verschwinde!«
»Beruhige dich«, sagte Stroganoff, dem vor Lachen der Bauch wippte, »er hat sich bestimmt nichts dabei gedacht. Ein Automat denkt sich nichts dabei, wenn er denkt. Er ist doch kein Mensch.«
»Das weiß ich selbst«, sagte der Automatendoktor und trank zur Beruhigung einen Schluck Wein, »aber manchmal könnte man meinen, er denkt sich was dabei.«
»Das ist«, sagte Stroganoff, der die seltsamen Vergleiche liebte, »wie eine Warze, die Mama sagt.«
»Guten Abend«, sagten Wirsing und Kraftschyk, die eben jetzt an den Tisch traten.
Während der Schwerenöter sogleich Platz nahm, blickte sich der Himmelsgärtner nach dem Bedienungsautomaten um.
»Der liest Kinderbücher«, erklärte der Raumkoch, »da hat ihn unser Automatendoktor davongejagt.«
»Soll das eine Lügengeschichte sein?« fragte Wirsing und setzte sich nun auch.
»Es ist die reine Wahrheit«, piepte es neben Wirsing. »Ich lese wirklich Kinderbücher.«
Der unbemerkt herangekommene Bedienungsautomat klappte seine Deckel auf.
»Und Fontanelli hat dich wirklich fortgejagt?« fragte Kraftschyk und grinste hinterhältig.
Der Automatendoktor wollte schon wieder hitzig werden, doch Stroganoff hielt sich den wippenden Bauch und rief: »Ich bitte mir den tiefsten Ernst aus, weil die Geschichte, die ich heute erzähle, von der rührenden Art ist. Und wenn wir noch lange lachen, kann ich nicht damit anfangen, heute aber fange ich an.«
»Das ist richtig«, sagte der
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