Vom Himmel hoch
oder durch Gebärden. Und so viel Deutsch
versteht Bardolic, dass am Arbeitsplatz nie Probleme aufgetreten sind. Nur für
die Freizeit reicht es nicht, um in einer fremdsprachlichen Umgebung soziale
Beziehungen zu knüpfen. Ich glaube aber, das wollten auch beide Seiten nicht.«
»Beide Seiten?«
»Ja. Bardolic wollte für sich bleiben. Und die Leute
in dieser Gegend sind weit davon entfernt, jeden Fremden sofort in ihr Herz zu
schließen und in ihrer Mitte aufzunehmen. Da müssen Sie schon Generationen von
ortsansässigen Vorfahren nachweisen.«
»Was macht Bardolic dann in seiner Freizeit? Welchen
Umgang hat er?«
Sie zuckte die Schultern, suchte einen Aschenbecher
und drückte den Rest ihrer Zigarette aus.
»Keine Ahnung. Wie gesagt, er hat wenig bis gar keinen
Kontakt nach Feierabend. Schon gar nicht zu Einheimischen.«
»Nun sind ja nicht alle im Betrieb Hiesige nach Ihrer Definition«,
warf Christoph ein.
»Ich meine damit, dass Bardolic keinen Kontakt zu
Deutschen pflegt«, gab sie ein wenig schnippisch zurück.
»Gibt es Gründe dafür, dass er Deutsche meidet?«
»Nicht dass ich wüsste. Ich habe nie etwas von ihm
oder über ihn gehört. Auch Klagen sind nie über ihn eingebracht worden. Er ist
ein fleißiger Mitarbeiter, der immer auf der Suche nach Überstunden ist.«
Das deckte sich mit der Aussage über Davor Bardolic,
die sie von seinem Nachbarn gehört hatten.
»Was macht er mit dem Geld?«, fragte Große Jäger.
Doris Landwehr wirkte jetzt fast ein wenig ungehalten.
»Woher soll ich das wissen? Ich bin nicht sein Anlageberater.«
»Wie lange hat er Urlaub beantragt?«, versuchte
Christoph sie wieder auf die sachliche Ebene zurückzuholen.
Spontan kam die Antwort: »Vier Wochen.«
»Könnte es sein, dass er in seine Heimat gefahren
ist?«
»Möglich.«
»Haben Sie seine Heimatadresse?«
Sie nickte. »Die kann ich Ihnen geben. Ich müsste nur
in den Unterlagen nachsehen.«
»Danke. Ich habe aber noch eine andere Frage. Sie
haben sich vorhin mit Arno Kleinwächter getroffen und hatten eine heftige
Auseinandersetzung mit ihm. Um was ging es dabei?«
Doris Landwehr musterte ihn mit kritischem Blick.
»Wenn Sie bereits mit Arno gesprochen haben, wird er es Ihnen erzählt haben.«
»Wir haben auch andere Informationsquellen«, wich der
Oberkommissar aus.
Sie warf Große Jäger einen flüchtigen Blick zu,
richtete ihre Antwort aber an Christoph:
»Arno hat enorme wirtschaftliche Probleme. Es geht um
seine Existenz. Die Situation, in die er hineingedrängt wurde, hat er sich
nicht ausgesucht. Dass man ihn damals wegen Arbeitsmangel entlassen hat, war
nicht sein Verschulden. Es war bei Banzer nur die reine Lust, Schicksal zu
spielen, Macht über das Leben anderer Menschen zu haben. Vielleicht spielte
auch ein wenig das übergewichtige Ego des Toten mit: Seht, ich vertrete die
Interessen meines Herrn. Ich! Und der, von dem es eigentlich zu erwarten wäre –
ich meine damit Roth –, zeigt Schwächen im Umgang mit anderen, was ein Manager tunlichst
vermeiden sollte.«
»Ist das nicht zu hart geurteilt?«
»Das glauben Sie vielleicht. Oder ich. Aber wenn es um
das eigene Wohl geht, die eigene Karriereleiter, dann stört es manche nicht,
dass die Quersprossen zwischen den aufwärts führenden Holmen aus den Leichen
derer bestehen, die unterwegs auf der Strecke geblieben sind.«
»Das sind starke Vorwürfe«, gab Christoph zu bedenken.
»Und weil Banzer nun auch eine tote Quersprosse ist, sind wir hier und
versuchen, den Mörder zu ermitteln.«
»Aber doch nicht in unserem Betrieb«, wiegelte sie ab.
»Da mag der Ton für Außenstehende manchmal etwas rau wirken, aber wir sind im
Grunde eine große Familie .«
»Das haben wir jetzt schon öfter gehört«, warf Große
Jäger mit zynischem Unterton ein, »und deshalb bin ich auch Junggeselle
geblieben. Solch ein Familienleben wie das von Ihnen beschworene ist mir nicht
nur zu heftig, sondern in letzter Konsequenz auch zu ungesund.«
Christoph nahm den Faden wieder auf. »Worüber haben
Sie mit Kleinwächter gestritten?«
Statt einer Antwort fingerte sie in ihrer Handtasche,
kramte die Zigarettenpackung hervor, zündete sich die nächste Zigarette an und
erklärte dann:
»Arno kann sich nicht die technische Ausstattung
leisten, die für seine Aufträge manchmal erforderlich wäre. So hat er in der
Vergangenheit diesen oder jenen aus dem Betrieb um eine kleine Gefälligkeit
gebeten. Hier ein paar Handreichungen, dort ein ausgeliehenes
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