Vom Himmel in Die Traufe
mit all seinen Auswüchsen des Goldfiebers sehr interessant. Herrn Heiskaris sittliche Erziehung ist auf einem guten Weg. Der Mann ist doch nicht ganz so ordinär, wie er zunächst wirkte, vor allem wenn er betrunken war. Wahrscheinlich hat ihm die Kritik, die sein Benehmen hervorrief, zu denken gegeben, nunmehr versucht er sich in seine Rolle zu fügen. Alkohol vermag er durchaus auch maßvoll zu genießen, und die Manieren, die ich ihm vorsichtig beibringe, macht er sich leicht und problemlos zu eigen. Ich habe ihm fürs Erste einen Anzug und ein paar Krawatten sowie Schuhe, einen Koffer und andere notwendige Dinge gekauft. Außerdem versuche ich ihn dazu anzuhalten, die Hochsprache zu benutzen und auf sein äußeres Erscheinungsbild zu achten – auf die Art zu gehen, die Haltung und anderes. Er wirkt jetzt wie ein ganz anderer Mann, groß und auch recht gut aussehend, und er benutzt sogar, wenn auch murrend, das Rasierwasser, das ich ihm besorgt habe.
Du siehst also, dass er am Ende einer einjährigen Schulung sicherlich ein ganz passabler Gentleman sein wird, den du dann ganz nach Wunsch für deine eigenen Zwecke nutzen kannst. Natürlich lässt seine Sprache zu wünschen übrig, und von der feineren Etikette hat er kaum eine Ahnung, aber er besitzt eine gute Merkfähigkeit und vor allem den erkennbaren Wunsch, die diskreten Ratschläge, die ich ihm gebe, zu beherzigen.
In dieser Hinsicht läuft also alles so, wie du es gewünscht hast, wenn nicht sogar besser. Aber jetzt ist ein ganz ungeheuerliches Problem aufgetaucht. Ich bin geradezu schockiert und werde versuchen, dir die Idee, die Herr Heiskari mir vor ein paar Tagen vortrug, kurz zu erläutern. Die Reise hat eine ganz neue Wendung genommen, die ich als sehr gefährlich empfinde.
Herr Heiskari teilte mir nämlich unlängst mit, dass er schon seit zwei Jahren den Plan schmiedet, eine Art Volksaufstand der Arbeitslosen in Finnland herbeizuführen. Nach seinen eigenen Worten besitzt er weit gediehene Pläne für eine Revolte, in der sich die verbitterten Arbeitslosen gegen die herrschenden Kreise erheben. Herr Heiskari hat mir diese seine Gedanken extra deshalb anvertraut, weil er glaubt, dass ich Oberst bin. Ach, wie sehr ich es doch bereue, dass ich nur zum Spaß behauptet habe, Oberstleutnant zu sein, wenn auch nicht mehr aktiv im Dienst. Jetzt hegt Herr Heiskari die Vorstellung, dass ich in meiner Eigenschaft als Stabsoffizier ganz nebenbei sein militärischer Berater werde, mich also in diesem äußerst zweifelhaften Projekt mit engagiere. Wie du dich wohl erinnerst, bin ich vom Rang her lediglich Leutnant, was Herr Heiskari nicht weiß. Ich kann ihm natürlich meine Notlüge zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht enthüllen, und so bin ich ohne eigenes Dazutun in diese bedrohliche Verschwörung mit hineingeraten.«
An dieser Stelle seines Schreibens erläuterte Ragnar Lundmark, wie Hermanni sich die ersten Schritte seines Planes vorstellte, also die Bildung der revolutionären Zellen und die planmäßige Überwachung der ökonomischen Oberklasse mit dem Ziel, sie in Panik zu versetzen und aus dem Land zu treiben. Ragnar schrieb, dass Hermanni versprochen hatte, ihm das gesamte Material zu zeigen, das er in der Wildnis bei Porttipahta versteckt hatte, damit es auch bestimmt geheim bliebe. Als Ragnar gefragt hatte, ob der einjährige Urlaub, den Lena Lundmark ihrem Lebensretter finanzierte, ihn nicht von seinen Kriegsplänen abbringen könnte, hatte Hermanni erwidert, dass dieser freie Unterhalt und das kostenlose Reisen wie ein Geschenk des Himmels für ihn waren. Er hatte jetzt ein Jahr lang Zeit, durch die Welt zu fahren, Eindrücke zu sammeln und an seinen Plänen zu feilen, und zu allem Überfluss war sein Reisegefährte oder Butler auch noch Oberst, all das war ein ausgesprochener Glücksfall für sein Projekt. Außerdem war die revolutionäre Situation in Finnland noch nicht weit genug entwickelt, was aber in ein, zwei Jahren zwangsläufig der Fall sein würde.
»Liebe Lena! Wie du merkst, haben die Dinge eine wirklich besorgniserregende Wendung genommen. Du kannst mir glauben, dass ich das Gefühl habe, in einem tiefen Schlamassel zu stecken. Ich möchte mir gar nicht ausmalen, was geschieht, wenn dieser Herr Heiskari seine irrsinnigen Absichten verwirklicht. Man kann sich leicht denken, dass dies selbst im besten Falle zu einem langen Blutvergießen führen würde. Mindestens hunderttausend Finnen würden in einem schrecklichen Bürgerkrieg ums
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