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Vom Himmel in Die Traufe

Titel: Vom Himmel in Die Traufe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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für solche Hirngespinste kein Platz. Was Lenas Interesse an dem Projekt weckte, war der Gedanke an den eigenen Vorteil. Es ging, außer um einen Volksaufstand, auch um eine nie da gewesene großartige Gelegenheit, Unmengen Geld zu machen. Zynisch rekapitulierte Lena, was unter Geschäftsleuten stets in diesem Zusammenhang gesagt wird: »Krieg ist das einträglichste Business der Welt.«

17
    Ragnar nahm die Fische aus und filetierte sie. Es war noch Vormittag, als Hermanni mit seinem Vortrag begann, und er schätzte, dass er bis zum Mittagessen damit fertig sein würde. Die Generalstochter Lena und der aus Versehen in die Rolle des Oberst geratene Ragnar Lundmark nahmen auf den Zeltstühlen Platz. Nun ergriff der Unteroffizier das Wort, nachdem er das Feuer geschürt und ein paar trockene Holzscheite hineingeworfen hatte.
    Hermanni Heiskari erklärte den Begriff der Doktrin. Das ist eine Lehre, mit der die Ziele und Grundlagen von Kriegshandlungen und die daraus resultierenden militärischen Aufgaben und ihre Durchführung definiert werden. Als Ziel des Aufstandes der Arbeitslosen nannte Hermanni das Erreichen der Vollbeschäftigung. Der Aufstand würde ausschließlich auf das Territorium Finnlands begrenzt bleiben. Die Aktionen bestünden, zumindest anfangs, aus passivem Widerstand, der die nationalen Ressourcen lahmlegen und so die Gesellschaft zwingen würde, auf die Forderungen der Aufständischen einzugehen.
    Es musste jedoch die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, dass die Gegenseite, der »Feind«, versuchen würde, den Aufstand gewaltsam zu ersticken, und dann wären bewaffneter Kampf und Blutvergießen unvermeidlich. Denkbar war, dass nach Ausbruch des Krieges der Staat mit seinem Machtapparat versuchen würde, die aufständischen Arbeitslosen und ihren Kampf niederzuschlagen. Wenn sie jedoch, wie zu hoffen war, von der Masse der übrigen Bevölkerung Unterstützung und Deckung bekämen, müssten sämtliche finnische Arbeitslose eliminiert werden. Nach Hermannis Auffassung könnte das geschehen, indem man diese Menschen in großen Lagern konzentrierte, so wie es im Zweiten Weltkrieg vor allem in der Sowjetunion und in Deutschland gehandhabt worden war. Für den Anfang bedeutete das, mindestens dreihundert- bis vierhunderttausend Finnen in Konzentrationslager zu sperren, schätzte Hermanni. Man würde sie mit starker chauvinistischer Propaganda vollpumpen, um so wenigstens einen Teil der internierten Bürger dazu zu bewegen, ihre Auffassung von der Gesellschaft zu ändern und auf die Teilnahme am Aufstand zu verzichten. Die Übrigen würden vom Kriegsgericht wegen Landesverrats zu Zuchthausstrafen verurteilt. Die Rädelsführer des Aufstandes würden nach eigens geschaffenen Kriegsgesetzen hingerichtet, die untere Führung ausgewiesen.
    Hermanni hielt es allerdings nicht für wahrscheinlich, dass der gut vorbereitete Volksaufstand so leicht scheiterte. Im Gegenteil, bei sorgfältiger Planung und geschickter Ausnutzung der Umstände hätte der Aufstand hervorragende Chancen auf Erfolg. Hermanni verwies auf einige aus der Militärgeschichte bekannte Theoretiker wie Moltke, Clausewitz und den vietnamesischen Partisanenführer Vo Nguyen Giap aus dem Indochinakrieg, ferner auf die Finnen Nenonen, Siilasvuo und Raappana, nicht zu vergessen den Schmucken Jussi, der nicht nur ein weithin bekannter Holzfäller, sondern auch ein ausgewiesener Experte in der Wald- und Ödmarkskriegsführung gewesen war. Für den besten Kriegstheoretiker hielt Hermanni jedoch den chinesischen General Sun Tzu, der vor langer Zeit gelebt hatte und dessen Gedanken Hermanni jetzt für Lena und Ragnar zitierte: »Wie das Wasser keine beständige Form hat, so gibt es auch im Krieg keine Beständigkeit. Also kann man denjenigen göttlich nennen, der den Sieg erringt, indem er seine Taktik ändert, wenn sich die Situation des Feindes ändert.«
    Hermanni betonte, dass es keinesfalls seine Absicht war, ein furchtbares Blutbad anzurichten, sondern er wollte lediglich die grenzenlose Ungerechtigkeit beseitigen, die in Form der Massenarbeitslosigkeit das Leben und die Zukunft der ganzen Nation bedrohte. Er verlangte von sämtlichen Entscheidungsträgern – der Industrieführung, den Arbeitgebern, den Politikern, der Intelligenz –, von allen, die eine Möglichkeit hatten, in den Verlauf der Dinge einzugreifen, dass sie sich endlich ihrer Verantwortung stellten. Weil sie dazu freiwillig anscheinend nicht bereit waren, mussten sie unter

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