Vom Himmel in Die Traufe
zum einundzwanzigsten Jahrhundert passierte, war Hermanni verrückt geworden? Erst als sie in sein Zimmer gegangen waren, dämmerte Ragnar die schreckliche Wahrheit. Auf seinem Körper waren mit kräftigem Filzstift überall Schnittstellen eingezeichnet, ähnlich wie in Lehrbüchern, in denen die Zerlegung eines Tierkörpers beschrieben wird. Die Schulter war fachkundig markiert, ebenso auch die anderen schmackhaften Teile: Haxen, Koteletts, Kassler, Filet, sogar das Halsfleisch.
Hermanni geleitete seinen Butler in die Dusche und schrubbte hilfsbereit die Markierungen ab. Die Striche hafteten bemerkenswert hartnäckig auf der Haut, vielleicht war ein wasserfester Filzstift benutzt worden. Auch konnte Hermanni nicht umhin, sich bei der Gelegenheit zu informieren, wie der finnland-schwedische Homo-Onkel nackt aussah. Ragnar Lundmarks Körper war erstaunlich gut proportioniert. Obwohl er bereits ein alter Mann war, war sein Bauch überhaupt nicht schlaff, er hatte keine Krampfadern, und die Muskeln waren fest.
Als Ragnars Körper von den Todesstrichen reingewaschen war, packten die beiden Männer rasch ihre Koffer und bestellten sich Tickets für die nächste Maschine, die den Flughafen verlassen würde. Wie sich zeigte, würden sie nach Frankreich beziehungsweise nach Tahiti fliegen, das mehrere Tausend Kilometer nordostwärts lag.
27
Tahiti ist ein Himmelreich mitten im warmen Ozean. Hermanni Heiskari und Ragnar Lundmark quartierten sich im luxuriösen Strandhotel Beachcomber nahe der Hauptstadt Papeete ein. Die Zimmer befanden sich in separaten kleinen Hütten mit Schilfdach, eigenem Kühlschrank und Klimaanlage. Am Strand wiegten sich die Palmen, und weiter draußen vergnügten sich die jungen Leute mit Surfbrettern. Die Männer beschlossen, diesen herrlichen Sport auszuüben.
Jetzt war gute Gelegenheit, Hermannis Ausbildung zum Gentleman weiterzuführen. Tahiti war gerade für diesbezügliche sportliche Aktivitäten ideal geeignet. Hermanni und Ragnar beschlossen, das Paradies im Ozean in vollen Zügen zu genießen.
Ragnar entwarf einen Verlaufsplan, der, außer Wellen- und Windsurfing, Folgendes vorsah:
Segeln
Reiten
Galopprennen
Polo
Tontaubenschießen
Kaninchenjagd
Bildende Kunst
Gastronomie
Vor allem aber die Planung des dritten finnischen Volksaufstandes, speziell in den Abschnitten Kriegsökonomie, Guerillataktik und Feldbefestigung.
Segeln lernten sie mit dem wohlwollenden Beistand des Segelklubs von Papeete: Sie mieteten ein sechzehn Fuß langes Boot, mit dem sie im offenen Wasser draußen vor dem Korallenriff umherschipperten. Anfangs war ein Ausbilder des Segelklubs dabei, aber bald brauchten sie ihn nicht mehr, denn Hermanni und Ragnar lernten das kleine Boot mühelos selbst zu beherrschen. Sie pflegten sich im Hotel einen Picknickkorb zu bestellen und auf ihrem vormittäglichen Segeltörn draußen auf See einen Lunch einzunehmen. Bald kannten sie das Wasser vor der Hauptinsel zur Genüge, und eines Tages segelten sie bis zur Insel Moore, die allerdings nicht weit entfernt war.
Ihre zweite Beschäftigung war das Reiten, und als sie auch das gelernt hatten, konnten sie als Nächstes Galopp und schließlich sogar Polo trainieren. Sie mieteten sich in den Reitställen von Papeete warmblütige Araberstuten, die ein feuriges Temperament hatten, aber so ausgebildet waren, dass sie auch Fremde auf ihrem Rücken akzeptierten.
Hermanni Heiskari brachte es bald zu guten Reitkünsten. Er rühmte sich damit, seinerzeit in den Fünfzigerjahren vom Schmucken Jussi höchstpersönlich Reitstunden erhalten zu haben, denn Jussi hatte vor dem Zweiten Weltkrieg als Abenteurer in den USA nicht nur nach Gold gegraben und Mammutbäume gefällt, sondern auch als Cowboy gearbeitet.
Ragnar Lundmark konnte absolut nicht glauben, dass der Schmucke Jussi durch die USA gereist war, geschweige denn, dass er Hermanni im Nachkriegsfinnland reiten gelehrt hatte. Nach seinen Berechnungen war Hermanni damals erst fünf oder sechs Jahre alt gewesen, und Kleinkinder wurden im Wilden Westen nicht als Cowboys ausgebildet, auch nicht in Lappland unter Jussis Aufsicht.
Hermanni hielt Ragnars Zweifel für blanken Neid.
In den darauffolgenden Wochen kamen Tontaubenschießen und Kaninchenjagd an die Reihe. Die Männer machten auch einen Ausflug zu einer Ananasschnapsfabrik, deren scharfe Produkte sie vorsichtig probierten.
Hermanni erzählte vom berühmten französischen Künstler Paul Gauguin, der im vergangenen Jahrhundert
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